Sonntag, 26. Januar 2014

Persönliche Verbundenheit zur Gegenständen zu pflegen, stärkt die Möglichkeit einen Nichtvermögenschaden geltend zu machen. Eine zum verkaufstehende Statue vereint diese Eigenschaften eben nicht.

Eine zum verkaufstehende Statue wurde bei einer öffentlich zugänglichen Freilichtausstellung stark beschädigt.

Die Erben des Plastikers und damaligen Besitzers der Statue klagen auf Schadensersatz und fordern, gemäss dem Prinzip der Direktklage gegen den Versicherer, die Begleichung des entstandenen Nichtvermögens- (dommage moral) und Sachschadens (dommage matériel).

Die Versicherungsgesellschaft kennt den Sachschaden an, bestreitet jedoch den Nichtvermögensschaden.

Das Gericht definiert den Nichtvermögensschaden als Schaden jeglicher Art der die Vermögenslage des Geschädigten nicht belastet und nur dessen persönliche Verbundenheit (lien affectif) mit dem Gegenstand verletzt.

Generell besitzt der Plastiker ein Anrecht auf die Achtung seines Names, seiner Künstlereigenschaft und seines Kunstwerkes. Dieses Anrecht sind Attirbute seiner Person und können dadurch den Nachfahren oder Erblassern hinterlassen werden.

Um einen Nichtvermögensschaden geltend zu machen, muss unabhängig vom Sachwert, ein besonderes und persönliches Verhältnis zwischen dem Kläger und dem beschädigten oder zerstörten Gegenstand bestehen (wie z.B. bei einem Oldtimer). Mit anderen Worten der unsachliche Wert kann nur durch die intime Verbundenheit mit dem Gegenstand erkannt und gemessen werden, wodurch ein Anspruch auf eine Nichtvermögensentschädigung entsteht.

Entgegen diesem Prinzip hatte der Plastiker die Statue im öffentlich zugänglichen Raum zum Verkauf angeboten. Durch diesen Umstand hat der Plastiker einen Vermögenswert auf die Statue gesetzt.

Daraus ergibt sich, dass weder der Plastiker, noch seine Erben eine intime und persönliche Verbundenheit zur Statue aufbauen konnten.

Aus diesen Gründen wird keine Entschädigung für den Nichtvermögensschaden zugesprochen. Anerkannt wird in diesem Fall nur eine Entschädigung für den entstandenen Sachschaden.


(Bezirksgericht Diekrich, 4. Juni 1991)

[Haftung - Nichtvermögensschaden (dommage moral) - Sachschaden (dommage matériel) - Statue]


Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour

Sonntag, 19. Januar 2014

Luxemburger Parkhäuser und Parkplätze sind keine rechtsfreien Gebiete

Auf dem Parkplatz einer bekannten Luxemburger Supermarktkette prallte Frau P. gegen den Wagen von Frau R.. Frau R. hatte, wegen bremsenden vorausfahrenden Wagen, selbst abgebremst und kam erst in Mitten einer Art Kreuzung.

Frau P., von der rechten Seite kommend, fuhr entlang der Fahrrichtung weiter, da kein Wagen von rechts kam.

Da beide Autofahrer die Ansicht vertraten sie hätten Vorfahrt - Frau R., weil Sie auf einer Hauptverkehrsader wäre, Frau P., weil keiner von rechts kam - kam es zum Zusammenstoss.

Frau R. klagt gegen Frau P. und gedenkt sich das Schuldvermutungsprinzip aufgrund von Art. 1384 abs. 1 LZGB zunutze zu machen. Frau P. hingegen findet, dass alle Alleen auf dem Parking ebenwertig sind (es gibt hier keine Haupt- oder Nebenallee), sodass Art. 136 der LVO (Luxemburger Verkehrsordnung) Anwendung findet und das Rechtsvorfahrtsprinzip gilt.

Das Gericht befindet, dass der Verkehr in Parkhäusern und auf Parkplätzen die öffentlich frei zugänglich sind (z.B. der Parkplatz einer Luxemburger Supermarktkette) den Verkehrsregeln auf öffentlichen Strassen unterliegt.

Demnach findet Art. 136 der LVO Anwendung und die Pflicht, die Vorfahrt an von rechts kommenden und in Bewegung stehenden Wagen zu gewähren, gilt als allgemeingeltende Pflicht und gilt solange das Manöver des vorbeiquerenden Wagens dauert.

Da Frau P. ein ordnungsgemäßes Manöver tätigte, hat Frau R. einen Fahrfehler begangen. Dieser Fahrfehler (Missachtung der Vorfahrtsregeln) bewirkt, dass Frau P. sich aus der Schuldvermutung aufgrund von Art. 1384 abs. 1 LZGB befreit.

Ebenfalls befindet das Gericht, dass Frau P. keinen Fahrfehler beging, sodass keine deliktische Haftung gemäß Art. 1382 u. 1383 LZGB gegeben ist.

(Friedensgericht Luxemburg, 28. Oktober 2009)

[Schuldvermutung - Art 1384 abs. 1 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - Schuldvermutungsbefreiung - deliktische Haftung - öffentliches Parkhaus - öffentlicher Parkplatz - Vorfahrtsregeln nach Art. 136 LVO]


Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour

Sonntag, 12. Januar 2014

Kreuzung mit Beschilderungssalat - Neutralisierung wegen fehlender Rangordnung zwischen Stopp- und Vorfahrtachtenzeichen - Anwendung des Rechtsvorfahrtprinzips

An einer nicht perfekten Kreuzung stand auf der einen Seite ein Stoppschild und auf der von linkskommenden Strasse ein Vorfahrtachtenschild. Wichtiges Detail: die mit dem Vorfahrtachten beschilderte Strasse geht nicht gerade rechtwinkelig auf die Kreuzung zu. 

Dies kann in gewissen Fahrtsituationen für Verwirren sorgen.

So auch für Herrn B. und Frau G. die beide zum gleichen Zeitpunkt an der Kreuzung antrafen, geradeaus fahren wollten und nicht aneinander vorbeikamen. Es kam zum Unfall.

Allgemein gilt das Rechtsvorfahrtprinzip nach Art. 136 der LVO (Luxemburger Verkehrsordnung). Art. 136 der LVO sieht jedoch auch vor, dass einem die Vorfahrt aberkannt wird wenn ein Schild des Typs B,1 (Vorfahrtachtenschild), B,2 (Stoppschild) oder C,2 (allgemeines Fahrverbot, ausgenommen Anrainer und Lieferanten) aufgestellt ist.

Art. 136 der LVO sieht jedoch keine Rangordnung zwischen einem Stopp- und einem Vorfahrtachtenschild vor, sodass beide Schilder sich aufheben (Dieses Prinzip findet auch nach geltendem Recht 2014 Anwendung). Dadurch findet wieder das allgemeine Rechtsvorfahrtprinzip Anwendung.

Aus diesem Grund hätte Herr B. die Vorfahrt an Frau G. abtreten müssen, da Letztere von der rechten Seite kam, und bei neutralisierter Beschilderung das Rechtsvorfahrtprinzip Anwendung findet.

Somit kann Frau G. auf das Schuldvermutungsprinzip aufgrund von Art. 1384 abs. 1 LZGB zurückgreifen und Herr B. muss, ohne sich aus der Schuldvermutung befreien zu können, für den Schaden von Frau G. haften.

(Bezirksgericht Diekirch, 9. Dezember 1997)

[Schuldvermutung - Art 1384 abs. 1 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - Schuldvermutungsbefreiung - Kreuzung - Neutralisierung wegen fehlender Rangordnung zwischen Stopp- und Vorfahrtachtenzeichen - Vorfahrtregeln nach Art. 136 LVO - Rechtsvorfahrtprinzip]


Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour

Abkürzung mit dem Fahrrad über Privatgrundstück - Verletzung an wahllos gespanntem Stacheldraht - Schuldvermutung der Grundstückbesitzers - keine Schuldvermutungsbefreiung

Ein Fahrradfahrer war auf dem Briddeler Plateau in Luxemburg unterwegs. Während der Fahrt entschied sich der Fahrradfahrer H. eine Aufkürzung durch eine ungezäunte Wiese zu nehmen und beschloss kurzerhand die öffentliche Strasse zu verlassen.

Beim Durchqueren der Wiese stieß der Fahrradfahrer H. gegen Stacheldraht der vom Grundstückbesitzer O. wahllos zwischen einem Baum und einem Pfosten gespannt worden war.

Fahrradfahrer H. zog sich schwere Verletzungen zu.

Fahrradfahrer H. klagt auf Schadensersatz gegen Grundstückbesitzer O. und bekommt aufgrund vom Schuldvermutungsprinzip gemäss Art. 1384 abs. 1 LZGB beim Bezirksgericht Luxemburg recht. Grundstückbesitzer O. geht gegen dieses Urteil in Berufung und argumentiert Fahrradfahrer H. hatte nichts auf dem Privatgrundstück zu suchen.

Grundstückbesitzer O. wirft den ersten Richtern eine falsche Auslegung von Art. 1384 abs. 1 LZGB vor und ist der Auffassung er befreie sich sowieso aus der Schuldvermutung, da Fahrradfahrer H. mit der unerlaubten Abkürzung einen schuldbefreienden Fehler beging.

Fahrradfahrer H. ist der Meinung, dass der Stacheldraht an einer anormalen Stelle angebracht war und der Stacheldraht zudem nicht besschildert war. Des Weiteren ist Fahrradfahrer H. mit der Abkürzung kein besonderes Risiko eingegangen. In der Tat war er nur mit dem Fahrrad spazieren fahren und hat an keinem Wettbewerb teilgenommen.

Das Berufungsgericht stellt fest, dass Grundstückbesitzer O. nicht bestreitet der Wächter des Stacheldrahtes zu sein. Der gespannte Stacheldraht  war zudem unbeweglich und befand sich an einer anormalen Stelle (zur Erinnerung: wahllos zwischen einem Baum und einem Pfosten). 

Hier gelten folgende Prinzipien: Eine Sachlage, die, durch fremdes Betreiben, jedermanns legitimes Vertrauen täuscht, ist ein Schadensursprung. Es ist ebenfalls legitim gegen jede plötzliche und unerwartete Sachlage versichert zu sein, egal ob diese Sachlage auf ein fehler- oder nicht fehlerhaftes Betreiben eines Dritten verschuldet wird oder durch ein unerwartetes Ereignis.

Da in diesem Fall nicht bestritten wird, dass der Stacheldraht an dieser Stelle keiner besonderen Verwendbarkeit zugeordnet ist (dient z.B. nicht als Pforte zur Wiese oder dem Einpferchen von Vieh) und somit ein bisschen verloren auf einer nicht eingezäunten Wiese errichtet wurde, konnte der Fahrradfahrer H legitimerweise nicht erwarten auf Stacheldraht zu stoßen.

Aus diesem Grund kann Grundstückbesitzer O. sich nicht aus seiner Schuldvermutung gemäß Art. 1384 abs. 1 LZGB befreien.

(Berufungsgericht Luxemburg, 27. Juni 2000)

[Schuldvermutung - Art 1384 abs. 1 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - Schuldvermutungsbefreiung - Fahrrad - Privatgrundstück - Stacheldraht -  Abkürzung]


Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour

Dienstag, 7. Januar 2014

Autobahnraserei auf Luxemburger Autobahn - Aufprallunfall – Schuldvermutungsbefreiung des beschuldigten Fahrers

Im Januar 2008 ereignete sich ein Unfall auf der Autobahn A3 Richtung Frankreich. Herr C., welcher sehr zügig unterwegs war, war im Begriff einen Lastwagen zu überholen, wobei Herrn G. den selben Lastwagen bereits vorausfahrend überholte.

Der Wagen von Herr C. prallte während dem Überholmanöver von Herrn G. in dessen Heck. Herr C. erlitt einen Sachschaden und klagte auf Schadensersatz gegen Herrn G. und plädierte auf dessen Schuldvermutung, andernfalls auf dessen deliktische Haftung.

Dass der Wagen von Herr C. gegen das Heck vom Wagen von Herrn G.aufprallen würde, ist dem Vernehmen nach von Herrn G. komplett unvorhersehbar und unwiderstehlich, zumal reger Verkehr zu dieser Zeit auf der A3 herrschte.

Da Herr G. ein ordnungsgemäßes Überholmanöver tätigte, hat Herr C., welcher von Hinten herangeprescht kam und in das Heck von Herrn G prallte, einen Fahrfehler begangen. Dieser Fahrfehler (Aufprallursache) von Herrn C. wertet das Gericht als Höhere Gewalt für Herrn G. und bewirkt, dass Letzterer sich aus der Schuldvermutung aufgrund von Art. 1384 abs. 1 LZGB befreit.

Ebenfalls befindet das Gericht, dass Herr G. keinen Fahrfehler beging, sodass keine deliktische Haftung gemäß Art. 1382 u. 1383 LZGB gegeben ist.

Demnach wurde die Klage vom rasenden Herrn C. als unbegründet zurückgewiesen und der Kläger blieb auf seinen Kosten sitzen.

(Friedensgericht Luxemburg, 20. Juni 2011)

[Schuldvermutung - Art 1384 abs. 1 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - Schuldvermutungsbefreiung - deliktische Haftung - Autobahn - Autobahnraserei]


Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour