Sonntag, 30. November 2014

Eine gesetztlich nicht verbindliche Versicherung ist immer von Nutzen, auch beim Betreiben eines Nachtlokals…


Eine alteingesessene Brauerei beschloss eine Wohn- und Gewerbeimmobilie in Burange für den Betrieb einer Wirtschaft, genauer gesagt einem Nachtlokal, anzumieten. Ein Mietvertrag wurde zwischen dem Vermieter und der Mietnehmerin abgeschlossen.

Am 16. Dezember 1979 brach ein Feuer aus wodurch das Gebäude stark, aber nur teilweise beschädigt wurde. Die Polizei konnte bei ihren Ermittlungen die Brandursache nicht feststellen.

In erster Instanz wurde der Mietvertrag wegen schuldhaftem Verhalten des Mieters gerichtlich gekündigt und ein Gutachten zur Ermittlung der Schadenssumme bestellt.

Dieses Fehlverhalten wollte die Brauerei nicht auf sich sitzen lassen, legte Berufung gegen dieses Urteil ein und argumentierte, dass der Mietvertrag Kraft des Gesetzes aufgrund von Artikel 1722 LZGB aufgelöst wurde. 

Um dies zu beteuern führte die Brauerei an, dass ein Gesamtverlust entsteht, falls aus einem sachlichen oder einem rechtlichen Grund, der Mietgegenstand für den mietvertraglich vereinbarten Zweck unbrauchbar wird.

Das Berufungsgericht befindet jedoch, dass sogar wenn der Verlust auf ein fehlerhaftes Verhalten einer Vertragspartei zurückzuführen ist, ist der Mietvertrag nicht Kraft des Gesetzes aufgehoben. Hierzu bedarf es eines Gesamtverlustes.

Tatsächlich wurde jedoch nur die gemeinsame Eingangstür zum Nachtlokal und zum Wohnbereich in den oberen Stockwerken, sowie der Kellerbereich stark beschädigt. Der Betrieb des Nachtlokals, der eigentliche Ansporn der Brauerei zum Mietvertragsabschluss, kann trotz des Brandes ohne übertriebene Ausgaben gewährleistet werden.

Demnach handelt es sich nur um einen Teilverlust der eine Aufhebung des Mietvertrages Kraft des Gesetzes ausschließt, so das Gericht.

Der Mietvertrag bleibt bestehen.

Was den Schaden betrifft bestehen zwei Haftungsvermutungen gegen die Brauerei. Einerseits  für den versicherten Brandschaden gemäß Artikel 1733 LZGB und andererseits. für Schäden am Mietobjekt aufgrund von Artikel 1732 LZGB. Letztere Bestimmung verpflichtet den Mieter für alle Schäden und Verluste haftet die während der Nutzung der Immobilie entstehen, es sei denn der Beweis wird erbracht die Schäden gehen nicht zu Lasten des Mietnehmers.

Die Brauerei war gegen Feuer versichert und dadurch wurde die Haftungsvermutung gründend auf Artikel 1733 LZGB und die Schadensumme nicht näher bestritten.

Anders waren die Beanstandungen gegen die Schäden und Verluste die während der Nutzung der Immobilie entstanden sind. Diese Schäden waren durch ein gerichtlich bestelltes Gutachten belegt. Um die Schlussfolgerungen dieses Gutachtens zu beanstanden führte die Brauerei eine Zuspitzung der Schäden die laut den Angaben der Brauerei erst nach dem Brand entstanden wären. Zudem wurde die Überalterung der Immobilie vorgebracht zwecks Minderung der Schadenssumme.

Das Berufungsgericht entscheidet, dass die Zuspitzung der Schäden nur über eine Untersuchung möglich ist. In Abwesenheit eines bekräftigenden Beweisantrages von Seiten der Brauerei kann das Gericht die Beanstandungen nicht prüfen und lehnt diese Beanstandungen folglich ab.

Gleiches gilt für den Überalterungsantrag, da das Mietobjekt vor Beginn des Mietvertrages erneuert wurde und das gerichtliche Gutachten ein Abnutzungskoeffizient zurückbehielt.

Aus diesen Gründen wurde die Brauerei verurteilt den Brandschaden und die Schäden und Verluste die aus der Nutzung der Immobilie entstanden sind zu übernehmen. Umgerechnet müsste der Mieter indexbereinigt heute rund EUR 65.000,00 nachzahlen.

(Bezirksgericht Luxemburg, 12. Dezember 1985)

[Mietvertrag – Brand und Aufhebung Kraft des Gesetzes (nein) – Haftungsvermutung des Mieters – Haftungsvermutung bei Feuerschäden - Haftungsvermutung bei Abnutzungsschäden]

Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour


Kommentar:

Dieses ältere Urteil ist richtungsweisend für eine Analyse der Prinzipien die in Mietverträgen nachteilig für den Mieter zu einer Haftungsvermutung führen können.

Zum einen muss ein Brand nicht unbedingt zur Auflösung des Mietvertrages führen. Zum anderen gelten zivilrechtlich relativ schwere Haftungsvermutungen gegen den Mieter. Regelmäßige Brandmeldungen und Feuerwehreinsätze belegen, dass diese Rechtsprinzipien gewisse Risiken für den Mieter darstellen dessen er sich bei der Schließung des Mietvertrages nicht unbedingt bewusst ist.

Diese Haftungsvermutungen gründen auf Artikel 1732 und 1733 LZGB, und sind als eine spezielle teils abweichende Anwendung von Artikel 1384 Abs 1 und 1386 LZGB zu verstehen.

Zur Erinnerung:

Artikel 1732 LZGB: „Der Mieter haftet für alle Schäden und Verluste die während der Nutzung der Immobilie entstehen, es sei denn der Beweis wird erbracht die Schäden gehen nicht zu Lasten des Mietnehmers“.

Artikel 1733 LZGB: „Der Mieter haftet für Feuerschäden, es sei denn er bringt den Beweis das Feuer ist ohne seinen Fehler entstanden“.

Artikel 1384 Abs 1. LZGB: „Man haftet nicht nur für Schäden die man selbst verursacht, sondern auch für Menschen für man verantwortlich ist oder für Sachen die man unter seiner Überwachtung hat“.

Artikel 1386 LZGB: „Der Eigentümer einer Immobilie haftet für Schäden die durch den Zerfall des Eigentums entstehen, falls sie durch einen Instandhaltungsmangel oder einen Baufehler entstanden sind “.

Entgegen der Haftungsvermutung aufgrund von Artikel 1384 Abs 1. Und 1386 LZGB wo der einfache Beweis vom Ausbleiben eines Fehlers des Wärters, Höhere Gewalt ausgenommen, unzulässig ist, kann die Haftungsvermutung von Artikel 1732 und 1733 LZGB durch den Beweis vom Ausbleiben eines Fehlerverhaltens durch den Mieter erbracht werden.

Von o.g. Rechtsprinzipien begleitet hat das Gericht im vorgenannten Urteil zurecht entschieden, dass der Mieter für alle Schäden, sei es Brandschäden oder Abnutzungsschäden, haftet und kein Beweis für die Befreiung aus der Schuldvermutung erbracht wurde.

Durch dieses Übergehen der Haftungsvermutung auf den Mieter empfiehlt sich der Abschluss einer Feuerversicherung für den Mieter.

Der Vermieter sollte jedoch auch Sorge daran tragen, dass der Mieter sich zum Abschluss einer Feuer- und Abnutzungsversicherung des Mietmietobjekts entschließt. Es gilt hier zu bemerken, dass die Feuer- und Abnutzungsversicherung für Schäden am Mietobjekt in Luxemburg nicht gesetzlich verbindlich sind.

Folglich sollte der Vermieter in jedem Mietvertrag vom Mieter verpflichtend die Abschließung und, während der Vertragsdauer, die Aufrechterhaltung einer Feuer-[1] und Abnutzungsversicherung mit jährlichem Vorweisen abverlangen.




[1] "Die vorzulegende Versicherungspolice muss mindestens folgende Bereiche abdecken: „Die Feuerversicherung gewährleistet den Versicherungsgegenstand gegen Feuer-, Blitzschlag-, Explosions- und Implosionsschäden sowie, sofern vertraglich nicht anders vereinbart, gegen Schäden die durch den Absturz von Flugzeugen oder anderen Gegenständen und Projektilen die durch den Zusammenprall mit Fahrzeugen oder Tieren hochgeschleudert wurden“ (Artikel 73 des Gesetzes vom 27. Juli 1997 über den Versicherungsvertrag).

Montag, 29. September 2014

Vertrag ist Vertrag


Der Eigentümer F. ließ ein Haus im Jahr 1999 errichten. Nach einer Bauzeit von fast 2 Jahren erfolgte eine Abnahme zwischen dem Bauherrn und dem Bauunternehmer.

2 Jahre später sind Mängel im Außen- und im Innenbereich der Immobilie aufgetreten. Diese Mängel wurden dem Bauunternehmer mitgeteilt. Dieser leitete die Mängelanzeige an seine Versicherungsgesellschaft im Rahmen der 10-jahres Gewährleistung weiter.

Die Versicherungsgesellschaft bestellte einen Sachverständigen vor Ort, um die Mängel zu begutachten. Leider führte das gütliche Gutachten zur keiner zufriedenstellenden Lösung für den Eigentümer.

Der Eigentümer ließ per Schnellverfahren einen gerichtlichen Sachverständigen bestellen und ein Gutachten wurde anfertigt. Aus dem Gutachten lässt sich herauslesen, dass die Behebungsarbeiten um die EUR 17.000,00 (ohne MwSt) veranschlagen würden. Für den Gutachter würde die Beschaffenheit der festgestellten Mängel a priori eine Beanspruchung der 10-jahres Gewährleistung erlauben.

Das Problem: inzwischen hat der Bauunternehmer Insolvenz angemeldet.

Dem Eigentümer bleibt nur noch die Möglichkeit die 10-jahres Gewährleistung direkt beim Versicherer einzufordern.

Die Versicherungsgesellschaft widersetzt sich dem Antrag mit der Begründung der vertraglich vereinbarte Bericht durch ein Kontrollbüro (bureau de contôle) wurde nie erstellt, oder wurde zumindest nie an das Versicherungsunternehmen (VU) übermittelt. Aus diesem Grund ist die Versicherungspolice (VP) unwirksam.

Der Eigentümer vertritt die entgegengesetzte Ansicht und meint die Vertragsklausel wäre nicht anwendbar.

Das Gericht befindet, dass die VP die der Unternehmer seinerzeit abgeschlossen hat eine Versicherungspolice ist die für einen Drittbegünstigten (hier der künftige Eigentümer) abgeschlossen wurde (assurance pour compte). Die Eigenschaft dieser Police besteht darin, dass die Police einerseits eine persönliche und direkte Verpflichtung durch den Versicherungsnehmer (VN) beinhaltet, obwohl der VN für einen Dritten handelt ohne diesen formell zu vertreten und andererseits dieser Dritte die Gunst der Police hat durch den Mechanismus der Vereinbarung für Dritte (stipulation pour autrui) [siehe z.B. Cour, 5. Juni 2002, n°26331].

Der Ursprung des Beanspruchungsrechts für den Begünstigten der Vereinbarung für Dritte entspringt und findet seine Rahmenbedingungen im Vertrag (hier: die VP). Falls dieser Vertrag verschwindet, verschwinden ebenfalls die daraus resultierenden vertraglichen Verpflichtungen. Folglich ergibt sich, dass das VU dem Drittbegünstigten alle Ausnahmen und Verteidigungsargumente erwidern kann die auf der VP gründen: sowohl (1) die Gültigkeit der VP als auch (2) Nichterfüllungsausnahmen (exception d'inexécution) können somit als rechtsgültige Argumente herhalten (siehe Artikel 49 Abs. 3 des Gesetzes vom 27. Juli 1997 über den Versicherungsvertrag).

Von diesen Rechtsprinzipien leitet das Gericht, dass die VP keine Anwendung findet, da der Bericht vom Kontrollbüro nie erstellt wurde und somit der Beginn der 10-jahres Gewährleistungsfrist nie festgelegt wurde. Das Gericht geht sogar soweit und befindet, dass, auch wenn der Bericht vom Kontrollbüro erstellt worden wäre, die vertragliche Verpflichtung der Übermittelung des Berichts an das VU nie erfüllt wurde.

Da der VN seinen Teil des Vertrages nicht erfüllt hat kommt die VP nicht zum tragen und das Gericht weist die Klage des Eigentümers als unbegründet zurück.

(BZG Luxemburg, 1. Februar 2008)

[Versicherungspolice (VP) - Vereinbarung für Dritte - Gültigkeit der VP - Nichterfüllungsausnahmen - Kontrollbüro - Bericht - Versicherungsrecht - Vertragsrecht]

Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour


Kommentar: Vertrag ist Vertrag.

Die Gültigkeit der Verträge wird im Luxemburger Recht aufgrund von Artikel 1108 ff. LZGB geprüft. Die daraus resultierenden Verpflichtungen gründen auf Artikel 1134 ff. LZGB. Artikel 1121 LZGB und Artikel 49 (assurance pour compte) des Gesetzes vom 27. Juli 1997 über Versicherungsverträge (hiernach das „Versicherungsvertragsgesetz") ermöglichen eine VP für einen Dritten abzuschließen. Dieser spezielle Vertragsmechanismus hat in diesem Fall Anwendung gefunden und das Gericht hat sich streng an das Gesetz gehalten das folgenden Wortlaut hat: "Les exceptions inhérentes au contrat d'assurance que l'assureur pourrait opposer au preneur sont également opposables à l'assuré quel qu'il soit" (Art. 49 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes).

Es hätte dem Drittbegünstigten oblegen zu prüfen ob die vertraglichen Verpflichtungen der VP vertragsgemäß erfüllt waren. Hierzu hätte sich der Drittbegünstigte auf Artikel 49 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes stützen können und die VP verlangen können. So will es zumindest das Gesetz: "Le preneur d'assurance ayant souscrit une assurance pour compte d'autrui est tenu de tenir à la disposition des assurés les conditions de la garantie" (Art. 49 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes). Diese Prüfung ist scheinbar nie erfolgt.

Die Konsequenzen im hiesigen Fall sind umso verheerender für den Drittbegünstigten, da der ursprüngliche VN inzwischen Insolvenz angemeldet hat und damit kein Gewährleistungsanspruch außerhalb der VP beim Bauunternehmer gemäß Artikel 1792 und 2270 LZGB erfolgen konnte.


Freitag, 25. Juli 2014

Wenn Fehler vermutet werden...


Eine Gemeinde im Süden Luxemburgs veranstaltete im Jahre 2010 eine Märchennacht im Schlosspark. Die Einfahrt zum Schlosspark ist miteinem wunderschönen alten Schmiedeeisenportal mit Quadersteinsäulen versehen.

Um die Veranstaltung erfolgreich zu gestalten beauftragte die Gemeinde mehrere Unternehmen den Park mit vorläufigen Einrichtungen zu versehen. Eine dieser Einrichtungen war das Auf- und Abrichten, sowie der An- und Abtransport eines größeren Zeltes. Ein Partyservice erhielt für diese Leistung den Zuschlag.

Der Partyservice vergab diese Aufgabe an ein spezialisiertes Subunternehmen.

Die Märchennacht fand statt und war ein voller Erfolg. Am darauf folgenden Tag wurde das Zelt abmontiert und abtransportiert. Da es trocken war wurde der historische Eingang nicht vom spezialisierten Subunternehmen genutzt, welches ein An- und Abfahren über die trockene Wiese bevorzugte.

Wichtig zu bemerken ist, dass weitere Unternehmen mit dem Abrichten anderer Anlagen beschäftigt waren. Einige dieser Unternehmen nutzten den historischen Eingang.

Kurz nachdem der Abtransport des Zeltes erfolgte merkte ein Gemeindemitarbeiter, dass das Portal beschädigt war und vermutete, dass dieser von einem Laster gerammt wurde. Die Gemeinde verdächtigte den Partyservice oder dessen Subunternehmer, da diese das Zelt offensichtlich per Laster oder Lieferwagen abtransportierten. Mehrere Monate verstrichen bevor der Partyservice auf den entstandenen Schaden angeschrieben wurde.

Da nie ein solcher Schaden gemeldet wurde, weigerte sich der Partyservice für den Schaden aufzukommen.

Die Gemeinde klagt gegen den Partyservice und begründet sein Verfahren mit der Vertragshaftung, subsidiarisch mit der deliktischen Haftung nach Art. 1382 u. 1383 LZGB. Der Partyservice verkündet den Streitfall an das Subunternehmen, wodurch dieses zur Teilnahme am Rechtsstreit verpflichtet wurde.

Vor Gericht bestreitet der Partyservice die vertragliche und deliktische Haftung aus Mangel an Beweisen. In der Tat beweist die Gemeinde dem Partyservice weder einen Fehler noch einen Kausalzusammenhang zwischen dem vermeintlichen Fehler und dem entstandenen Schaden. Hilfsweise beantragt der Partyservice, dass das Subunternehmen den Partyservice schadlos hält.

Das Gericht ordnet in einer ersten Phase eine Zeugenbefragung an. Alle vorgeladenen Zeugen geben unmissverständlich zu Protokoll nichts gesehen zu haben. Es kommt zur Weiterverhandlung und sowohl der Partyservice, als auch das Subunternehmen plädieren auf Schuldbefreiung.

Das Gericht erinnert, dass bei vertraglichen Verpflichtungen eine ergänzende Sicherheitspflicht gilt. Obwohl es keine Augenzeugen gibt lässt  das Gericht das Argument gelten, dass der zuständige Hausmeister zeitnah (ohne genaue Zeitangabe) über den Schaden in Kenntnis gesetzt wurde. Dadurch kann dem Vernehmen des Gerichts nach, der Schaden nur durch den Abtransport des Zeltes durch den Lieferwagen des Partyservices , sprich des Subunternehmens (so die naheliegende Vermutung) entstanden sein.

Der entstandene Schaden rührt unmissverständlich aus der fehlerhaften Ausführung des Vertrages, nicht zuletzt aus der Verletzung der Sicherheitspflicht.

Das Gericht gibt der Gemeinde Recht und nimmt den Partyservice aufgrund der Sachlage in die Haftung. Da der Partyservice und das Subunternehmen vertraglich gebunden sind muss das Subunternehmen den Partyservice schadlos halten.

(Friedensgericht Esch/Alzette, 1. Juli 2014)

[Vertragsverletzung - ergänzende Sicherheitspflicht - Haftung - Zivilgesetzbuch (LZGB) - Zelt - Abtransport]

Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour

Kommentar: Die Auslegung der ergänzenden Sicherheitspflicht in diesem Urteil ist durchaus fraglich. In der Tat gilt die ergänzende Sicherheitspflicht nur gegenüber von Personen und muss folgende Bedingungen erfüllen: (1) Es muss sich um ein  Fachmann handeln. (2) Dieser Fachmann muss mit der Erfüllung einer Vertragspflicht betraut sein. (3) Bei der Erfüllung dieser Pflicht darf der Fachmann auf keinen Fall Gesundheitsrisiko (Lebensgefahr) für Personen schaffen (Ph. Le Tourneau, Droit de la responsabilité civile, éd. 2008-2009, Dalloz, n°3294 et suivants et G. Ravarani, La responsabilité civile, Pasicrisie, 3e édition, 2014, n°508 et suivants).

Anhand von diesen Bedingungen wird sichtbar, dass das Gericht sein Urteil auf einer lückenhaften Begründung fußt. Damit die ergänzende Sicherheitspflicht Anwendung findet hätte ein Risiko für die Person entstehen müssen. Hier wurden nur ein paar Quadersteine geschrammt, was kein Sicherheitsrisiko darstellt.

Ferner darf die Frage erlaubt sein, ob sich der Schadensfall überhaupt noch im Vertragsrahmen befindet, oder, ob hier nicht eher eine deliktische Haftung zur Anwendung kommen müsste. 

Des Weiteren fußt die Urteilsfindung auf unbestimmten Vermutungen. Zivilrechtlich gesehen beruht die Urteilsfindung auf der Auslegung der Sachlage gründen. Vermutungen konnten bis Dato die Sachlage nie stützen und wurden als unschlüssig und nicht aussagekräftig zurückgewiesen. Erstaunlicherweise wurde im beschriebenen Fall anders entschieden....

Wenn Fehler vermutet werden...

Gegen dieses Urteil kann immer noch Berufung eingelegt werden.


Montag, 23. Juni 2014

Nickerchen am Seitenstreifen...???

Auf der Autobahn A13 in Richtung Frisange, unweit des "Rond Point Hellange", stand ein serbischer Lastwagenfahrer auf dem Seitenstreifen.

Ob der Lastwagenfahrer ein Nickerchen machte oder kurz eine Mittagspause einlegte ist ungewiss.

Ein französischer Autofahrer fuhr auf der gleichen Autobahn in Richtung Frisange. Kurz vor dem "Rond Point Hellange" spürte sich der Franzose plötzlich unwohl. Reflexartig steuerte er auf den Seitenstreifen zu.

Pech nur, dass an dieser Stelle der serbische Lastwagenfahrer stand. 

Es kam zum Unfall. Es blieb beim Materialschaden. Der französische Wagen wurde jedoch durch den Unfall stark beschädigt.

Die Polizei wurde vor Ort bestellt und erstellte einen Unfallbericht. Eine gütliche Schadensregulierung kam leider nie zustande.

Der französische Autofahrer klagt gegen die serbische Transportfirma und dessen Fahrer und gedenkt sich das Schuldvermutungsprinzip aufgrund von Art. 1384 abs. 1 LZGB zunutze zu machen.

Die serbische Transportfirma hingegen findet, dass das Schuldvermutungsprinzip aufgrund von Art. 1384 abs. 1 LZGB keine Anwendung findet da, obwohl es zum Zusammenstoß kam, der Lastwagen still stand.

Das Gericht erinnert: damit das Schuldvermutungsprinzip Anwendung findet muss der Lastwagen entweder in Bewegung sein, oder der Beweis muss erbracht werden, dass der Lastwagen eine anormale Stellung einnahm.

Aus dem Polizeibericht wird unstrittig ersichtlich, dass der Lastwagen am Seitenstreifen still stand. Diese Stellung ist der Ansicht des Gerichts nach anormal für den "normalen" Verkehrsfluss auf der Autobahn. Das Gericht bezieht sich hierzu auf Art. 156.6 LVO, die den Stillstand auf der Autobahn, höhere Gewalt ausgenommen, verbietet. Demnach wäre der Beweis der anormalen Stellung gegeben und das Schuldvermutungsprinzip findet hier Anwendung.

Um sich aus der Haftungsvermutung zu befreien muss die Transportfirma nun einen Fehler vom französischen Kläger vorlegen. Die Transportfirma streitet das vermeintliche Unwohlsein des französischen Autofahrers energisch ab, und vertritt die Auffassung, dass der Autofahrer gegen Art. 140 des LVO verstoßen hat. Mit anderen Worten, der Franzose fuhr unvorsichtig.

Das Gericht gibt der Transportfirma recht und befindet, dass das unbewiesene Unwohlsein, sowie der Umstand nicht rechtzeitig stehenzubleiben ohne mit dem serbischen Lastwagen zusammen zu stoßen, als unvorsichtige Fahrweise zu werten sind und somit einen Fehler im Sinne von Art. 140 des LVO darstellen.

Aus diesem Grund urteilt das Gericht der französische Autofahrer trage eine Mitschuld.

Da die Lastwagenfirma jedoch keinen Schaden erlitten hat, kann Letztere keinen Schadensersatzantrag stellen und wird verurteilt für den Schaden des französischen Autofahrers aufzukommen. Da der Franzose eine Mitschuld trägt, muss die serbische Transportfirma nur die Hälfte der Gerichtskosten übernehmen.

(Friedensgericht Luxemburg, 22. Mai 2014)

[Schuldvermutung - Art 1384 abs. 1 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - Schuldvermutungsbefreiung - anormale Stellung - aktive Rolle - Unfallbericht - Seitenstreifen - Unwohlsein]

Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour


Sonntag, 11. Mai 2014

Ausparken will gelernt sein. Vorbeifahren auch...


Laut Unfallbericht ereignete sich der Unfall am 3. Januar 2009 beim Verlassen eines Parkplatzes auf einem Parkplatzareal eines Kaufhauses entlang der vielbefahrenen Arlonerstrasse.

Fahrer A. musste sein Fahrzeug beim rückwärts ausparken anhalten da sich Fahrer B zu nahe in Richtung der Ausfahrt gestellt hatte. 

Vor dem Fahrzeug B. versperrten weitere Fahrzeuge mehrere Minuten lang die Ausfahrt zur Arlonerstrasse und anstelle abzuwarten, fuhr Fahrer B. plötzlich rückwärts um an den forderen Autos links vorbeizufahren. 

Dabei schrammte das Fahrzeug B. gegen das stehende halbausgeparkte Auto von Fahrer A.  entlang der hinteren Stossstange über mehr als 1,50 m. Anschliessend beim vorwärtsfahren, schrammte das Fahrzeug B. erneut entlang der Stossstange von Fahrzeug A. Der Unfall war vollbracht.

Beide Fahrer erstellen einen einvernehmlichen Unfallbericht.  Der Unfallbericht wurde allem Anschein nach später einseitig von Fahrer B. geändert, so die Feststellung von Fahrer A.

Eine gütliche Einigung kam nicht zustande.

Fahrer A. führt persönlich Klage gegen Fahrer B. Er klagt auf Schadensersatz ohne sich jedoch das Schuldvermutungsprinzip aufgrund von Art. 1384 abs. 1 LZGB zunutze zu machen. Er klagt auf Schadensersatz aufgrund von Artikel 1383 LZGB und gibt an Fahrer B. hätte fahrlässig gehandelt und dies würde eindeutig aus dem Unfallbericht hervorgehen.

Das Gericht befindet, dass ein einvernehmlicher Unfallbericht als nur aussergerichtliches Geständnis zu werten ist, falls die vermerkten Angaben klar und präzise sind und keine Zweifel über den Unfallhergang zulassen (TAL, 25. Januar 1996, n°53328).

Da weder aus den Skizzen noch aus den angekreuzten Feldern auf dem Unfallbericht der Unfallhergang schlüssig zu ermitteln ist, da jedes Unfallopfer seine eigene Skizze gemalt hat die zudem im Widerspruch zur anderen Skizze steht, gelten die Unfallumstände aus unbestimmt. Ferner sind wiedersprüchliche Felder auf dem Unfallbericht angekreuzt, was die Unbestimmtheit des Unfallberichtes verstärkt.

Fahrer B., ohne seine fahrlässige Haltung richtig zu beanstanden, will sich Art. 137 der Luxemburger Verkehrsordnung (LVO) zunutze zu machen, um seine fahrlässige Haltung zu entschuldigen. In der Tat sieht Art. 137 LVO, vor, dass "Fahrer die ausparken oder rückwärts fahren dies nur dann tun können, wenn (1) dies den anderen Verkehrsteilnehmern zeitig mitgeteilt wird, (2) die anderen Verkehrsteilnehmer nicht davon gestört werden und (3) die Vorbeifahrt der anderen Verkehrsteilnehmer gewährt wird".

Das Gericht kommt zum Schluss, dass Fahrer B. keinen Beweis vorbringt Fahrer A. hätte Art. 137 LVO verletzt. Obwohl Fahrer A. bereits zu einem halben Meter ausgeparkt war und einen Moment lang stehenblieb ergibt sich keinesfalls durch diesen Umstand Fahrer A. hätte hierdurch fehlerhaft gehandelt oder zum Schaden beigetragen.

Es gibt demnach keine Umstände die die fahrlässige Haftung von Fahrer A. ausschliessen oder mindern könnten und demnach ist die Klage aufgrund von Art. 1383 LZGB begründet.

(Friedensgericht Luxemburg, 28. Mai 2010)

[Fahrlässigkeit - Art 1383 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - deliktische Haftung (ja) - Schuldbefreiung (nein) - Schuldminderung (nein) - Unfallbericht]

Veröff. von Me Henry DE RON


Sonntag, 9. März 2014

Die Strasse ist kein Spielplatz: Versteckspielen von Kindern auf der Strasse - der vorausschaudende Fahrer entzieht sich aus der Schuldvermutung

Minderjährige Kinder, zirka 10 Jahre alt, spielten Versteckspiel in der der "rue Adolphe Fischer" in Luxemburg-Stadt.

Eines der Kinder Namens B. war hinter einem stationierten Auto versteckt. Als die anderen Kinder B. von weit entdeckt hatten, stürmte B. aus seinem Versteck raus auf die Straße, um nicht gefangen zu werden und versuchte vergebens zum Mal ("Save Point") zu laufen .

Zum gleichen Augenblick fuhr Fahrer P. mit geringer Geschwindigkeit an dieser Stelle vorbei. Urplötzlich erschien die Silouette von B. vor der Motorhaube von Ps. Wagen.  Jedes Bremsmanöver kam zu spät. B. wurde angestoßen und arg verletzt.

Die Eltern, in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreter von B., klagen und berufen sich das Schuldvermutungsprinzip aufgrund von Art. 1384 abs. 1 LZGB. Fahrer P. hingegen findet, dass er sich ganz aus der Schuldvermutung befreit, da das Opfer B. fehlerhaft handelte.

Das Gericht erinnert, dass der Wärter sich sehr wohl aus der Schuldvermutung befreien kann wenn dieser beweist, dass das Opfer oder ein Dritter schuldhaft handelte. Diese Schuldvermutungsbefreiung kann jedoch nur teilweise erfolgen, wenn der Fehler vom Opfer nicht der ausschließliche Grund des Unfalls ist und die Prinzipien der Höheren Gewalt (Unvorhersehbarkeit u. Unaufhaltsamkeit) nicht gegeben sind.

Ein minderjähriges Kind ist aufgrund von Art. 1384 abs. 1 LZGB verantwortlich wenn es eine Handlung macht die zu einem Schaden führt.

Es ist aus dem Sachverhalt erwiesen, dass das Kind B. beim Versteckspiel urplötzlich, ohne sich um die Anwesenheit von herannahenden Wagen zu scheren, über die Fahrbahn stürmte. Dieser Sachverhalt wurde ebenfalls von den mitspielenden Kindern bezeugt.

Ein Vorkommnis gilt als unvorhersehbar, nicht wegen in einer unklaren Verwirklichungsmöglichkeit (sonst wäre ja alles vorhersehbar), sondern wegen der Tatsache, dass es eigentlich gar keinen besonderen Grund gibt, dass ein bestimmtes Vorkommnis sich ereignen würde (siehe z.B. TAL, 1. März 1989 und Le Tourneau, La responsabilité civile, 3e édition, p. 240, B, Imprévisibilité).

Fahrer P. hatte hier keinen besonderen Grund zu erwarten, dass das Kind B. plötzlich hinter einem Wagen hervorschießen und vor seinen Wagen stürmen würde. Folglich ist das Handeln des Kindes B. unvorhersehbar (1).

Da Herr P. mit mäßiger Geschwindigkeit (35 - 40 km/h) unterwegs war ergibt sich, dass der Vorwurf nicht rechtzeitig gebremst zu haben, unbegründet ist. In der Tat können die Eltern von B. nicht verlangen, dass Fahrer P., welcher von einem unvorhersehbaren Verhalten des Kindes B. überwältigt wurde, in einer Rekordzeit das richtige Ausweich- oder Bremsmanöver erfolgreich tätigt. Demnach ist der Grund der Unaufhaltsamkeit (2) ebenfalls erfüllt.

Aus diesen Gründen hält das Gericht fest, dass die Art und Weise mit der das Kind B. über die Strasse stürmte als ausschließlicher Unfallfehler gilt und zudem die Kriterien der Höheren Gewalt (1 + 2) erfüllt sind.

Fazit: Fahrer P. hat sich ganz aus der Schuldvermutung befreit und die Klage der Eltern wurde aufgrund von Art. 1384 abs. 1 LZGB als unbegründet verworfen.

(Bezirksgericht Luxemburg, 6. Januar 2004)

[Schuldvermutungsprinzip - Art 1384 abs. 1 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - Kind - Versteckspielen - Beschulbefreiung - Höhere Gewalt - schuldhaftes Handeln des Kindes]

Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour


Sonntag, 23. Februar 2014

Kaskoversicherung und verbrannter Turbolader, ein heisses Gemisch: die Versicherung zahlt...

Frau R. ist stolze Besitzerin eines Renault Mégane mit weit über 100.000 km Laufleistung.

Im Sommer 2012 fing der Turbolader ihres Wagens Feuer und verursachte eine Wagenreparatur in Höhe von ungefähr EUR 2.000.


Frau R. hatte eine Kaskoversicherung bei einer Luxemburger Versicherungsgesellschaft abgeschlossen und meldete den Sachschaden.


Die Versicherungsgesellschaft bestreitet den gemeldeten Schaden und verschanzt sich hinter dem Argument die Wartung des Wagens sei nicht sachgemäß gewesen oder es handele sich, um den Verschleiß eines Fahrzeugstücks. In der Tat sind sind Vorfälle dieser Art von der Kaskoversicherung ausgeschlossen.


Frau R. gibt sich mit diesem Vertrösten nicht zufrieden und zieht vor Gericht. Sie stützt sich auf die Kaskoversicherung und verlangt bloß die Begleichung des entstandenen Sachschadens. Die Versicherungsgesellschaft bleibt bei seiner Argumentation und verweigert die Begleichung des Schadens.

Das zuständige Gericht stellt fest, dass die Versicherungspolice spezielle Ausschlussmöglichkeiten bei Feuer vorsieht: Sachschäden die auf einer nicht sachgemäßen Wartung des Wagens beruhen oder aus dem Verschleiß von Fahrzeugstücken herrühren werden von der Versicherung nicht übernommen.

Artikel 1315 LZGB regelt die Beweispflicht und hält in der Substanz folgendes fest: jeder der die Ausführung einer Pflicht verlangt, muss diese beweisen. Das Gleiche gilt auch bei Pflichtbefreiung: hier muss beweisen werden, dass die Zahlung erfolgte oder den Tatbestand der die Pflichtbefreiung bewirkt (freie Übersetzung von Art. 1315 LZGB).

Mit Berücksichtigung von Artikel 1315 LZGB, findet das Gericht, dass die Beweispflicht für Tatbestände, die einen Ausschluss der Versicherungspolice (d.h. eine Pflichtbefreiung) herbeiführen, der Versicherungsgesellschaft obliegt. Mit anderen Worten, die Versicherungsgesellschaft muss hier den Beweis einer nicht sachgemäße Wartung des Renault Mégane bringen.

Da dem vernehmen des Richters nach die
Versicherungsgesellschaft diesen Beweis faktisch nicht erbracht hat, muss die Versicherung für den Schaden aufkommen.

Ein weiteres Argument der
Versicherungsgesellschaft  hinsichtlich der Mitschuld von Frau R. wird vom Gericht ebenfalls verworfen, da eine Kaskoversicherung schlichtweg Schuldzuweisungen missachtet. 

Demnach ist vertragliche Anspruch von Frau R. auf die Begleichung des entstandenen Schadens rechtens.



(Friedensgericht Luxemburg, 2. Mai 2013)

[Kaskoversicherung (assurance tous risques) - Art 1315 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - Beweispflicht - Pflichtbefreiung - Turbolader]


Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour

Sonntag, 9. Februar 2014

Dirty Car Art: Kratzer am Wagen durch ein Kind verursacht - Automatische Haftung der Eltern

Ein minderjähriges Kind spielte auf dem Bürgersteig der "avenue de la Gare" in Luxemburg-Stadt unweit eines bekannten Optikerladens. Das Kind amüsierte sich in diesem Augenblick Sonnen mit dem Finger auf die verdreckte Oberfläche vom Koffer des am Strassenrand geparkten Wagens zu malen.

Besitzer des Wagens schaute dem Kind zu und stellte fest, dass der Wagen auf der Höhe der hinteren Stossdämpfer erheblich zerkratzt war. Die Kratzspuren liessen eine lebhafte Wellenform vermuten. 

Der Besitzer des Wagens sprach das Kind auf diese Malerei an. Das Kind meinte ganz stolz es hätte dieses Kunstwerk geschaffen und zeigte eine 5 Euro Cent Münze.

Die Versicherungsgesellschaft entschädigte den Besitzer, klagte stellvertretend für den Eigentümer des Wagens gegen die Eltern des Kindes und bot an den Eigentümer des Wagens als Zeugen zu hören.

Diesem Antrag wurde vom Gericht stattgegeben und der Zeuge (ebenfalls Eigentümer) schildert die vormals genannte Gesichte, gab jedoch zu verstehen, das Kind hätte weder ein eindeutiges und genaues Geständnis abgegeben noch hätte er persönlich gesehen, dass das Kind den Wagen zerkratzte.

Fakt ist nur, dem vernehmen des Zeugen nach, dass der zuvor abgestellte Wagen in tadelosem Zustand war.

Das Gericht findet den Beweis der Beschädigung aufgrund dieser Schilderung als erbracht. Demnach hat das Kind einen Fehler begangen, welcher in kausalem (oder direktem) Zusammenhang mit dem enstandenen Sachschaden steht.

Gemäss von Art. 1384 abs. 2 LZGB, haften Eltern automatisch für ihre Kinder. Aufgrund dieser Bestimmung ist die Haftung der Eltern gegeben und dadurch ist die Vertretungsklage der Versicherungsgesellschaft rechtens.

Fazit: die Eltern müssen voll für den entstandenen Sachschaden aufkommen.

(Friedensgericht Luxemburg, 20. Juni 2013)

[Automatische Haftung der Eltern - Art 1384 abs. 2 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - Kind - Sachschaden, Vertretungsklage]

Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour


Sonntag, 2. Februar 2014

Kollisionsfreier Unfall - Schuldvermutungsprinzip ausgehebelt

Auf einer Landstraße unweit der Belgischen Grenze fuhr Frau H. aus einer Nebenstraße heraus auf die Nationalstraße. Herr K. fuhr auf Gegenfahrbahn der Nationalstraße und wurde plötzlich vom einfahrenden Wagen von Frau H. überrascht.

Die Überraschung von Herrn K. war umso grösser als Frau H. scheinbar mit ihrem Wagen auf die Gegenfahrbahn (Fahrbahn auf welcher Herr K. sich befand) vordrang.

Um die Kollision zu meiden, tätigte Herr K. ein ausweichendes Manöver und zog stark nach rechts. Dieses Ausweichmanöver verlief jedoch alles andere als glimpflich und Herr K. überschlug sich und landete kopfüber im Straßengraben.

Herr K. klagt gegen Frau H. und gedenkt sich das Schuldvermutungsprinzip aufgrund von Art. 1384 abs. 1 LZGB zunutze zu machen. Frau H. und dessen Versicherungsgesellschaft hingegen finden, dass das Schuldvermutungsprinzip aufgrund von Art. 1384 
abs. 1 LZGB keine Anwendung findet da es zu keinem Zusammenstoß kam.

Um in diesem Fall das Schuldvermutungsprinzip anzuwenden behaupten Frau H. und dessen Versicherungsgesellschaft, Herr K. müsse den Beweis erbringen, dass der Wagen von Frau H. aktiv in den Unfall verwickelt war und sich zudem in einer anormalen Stellung befand, welche kausal mit dem entstandenen Schaden zusammenhängt.

Herr K. beruft sich auf den im gegenseitigem Einverständnis angefertigten Unfallbericht (constat à l'amiable) und vertritt die Ansicht, dass die Skizze des Unfallberichtes die anormale Stellung des Wagens von Frau H. ausreichend beweist.

Das Gericht befindet, dass das Opfer, bei einen kollisionsfreien Unfall mit einem entseelten Sachobjekt (chose inanimée), wie z.B. einem Pkw, den Beweis bringen muss, dass dieses entseeltes Sachobjekt zum Verwirklichung des Unfalls beigetragen hat, sei es durch ein anormales Verhalten, oder durch eine anormale Stellung.

Ein Unfallbericht gilt nach Auffassung des Gerichts, als außergerichtliches Geständnis, falls die geschilderte Sachlage oder die angefertigte Skizze genügend Hinweise und ausführliche Angaben beinhaltet, um den Unfallhergang schlüssig aufzuklären.

Obwohl das Gericht aus der Skizze herleiten kann, dass der Wagen von Frau H. auf die Fahrbahn von Herrn K. vordrang, geht jedoch nicht schlüssig aus dieser Skizze hervor, ob es sich, um einen weitgehenden oder leichten Eingriff handelte.

Da die Skizze den Sachverhalt nur ungenau schildert, die Eingriffsbreite bestritten ist und diesbezüglich kein Beweisantrag mittels Zeugen gestellt wurde, ist nicht bewiesen, dass der Wagen von Frau H. eine anormale Stellung einnahm.

Aus Mangel an Beweisen zur anormalen Stellung findet das Schuldvermutungsprinzip keine Anwendung und die Klage wird vom Gericht als unbegründet zurückgewiesen.

Ebenfalls befindet das Gericht, dass Frau H. keinen Fahrfehler beging, sodass keine deliktische Haftung gemäß Art. 1382 u. 1383 LZGB gegeben ist.

(Bezirksgericht Luxemburg, 6. Juli 2000)

[Schuldvermutung - Art 1384 abs. 1 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - Schuldvermutungsbefreiung - deliktische Haftung - anormale Stellung - aktive Rolle - Unfallbericht]


Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour

Sonntag, 26. Januar 2014

Persönliche Verbundenheit zur Gegenständen zu pflegen, stärkt die Möglichkeit einen Nichtvermögenschaden geltend zu machen. Eine zum verkaufstehende Statue vereint diese Eigenschaften eben nicht.

Eine zum verkaufstehende Statue wurde bei einer öffentlich zugänglichen Freilichtausstellung stark beschädigt.

Die Erben des Plastikers und damaligen Besitzers der Statue klagen auf Schadensersatz und fordern, gemäss dem Prinzip der Direktklage gegen den Versicherer, die Begleichung des entstandenen Nichtvermögens- (dommage moral) und Sachschadens (dommage matériel).

Die Versicherungsgesellschaft kennt den Sachschaden an, bestreitet jedoch den Nichtvermögensschaden.

Das Gericht definiert den Nichtvermögensschaden als Schaden jeglicher Art der die Vermögenslage des Geschädigten nicht belastet und nur dessen persönliche Verbundenheit (lien affectif) mit dem Gegenstand verletzt.

Generell besitzt der Plastiker ein Anrecht auf die Achtung seines Names, seiner Künstlereigenschaft und seines Kunstwerkes. Dieses Anrecht sind Attirbute seiner Person und können dadurch den Nachfahren oder Erblassern hinterlassen werden.

Um einen Nichtvermögensschaden geltend zu machen, muss unabhängig vom Sachwert, ein besonderes und persönliches Verhältnis zwischen dem Kläger und dem beschädigten oder zerstörten Gegenstand bestehen (wie z.B. bei einem Oldtimer). Mit anderen Worten der unsachliche Wert kann nur durch die intime Verbundenheit mit dem Gegenstand erkannt und gemessen werden, wodurch ein Anspruch auf eine Nichtvermögensentschädigung entsteht.

Entgegen diesem Prinzip hatte der Plastiker die Statue im öffentlich zugänglichen Raum zum Verkauf angeboten. Durch diesen Umstand hat der Plastiker einen Vermögenswert auf die Statue gesetzt.

Daraus ergibt sich, dass weder der Plastiker, noch seine Erben eine intime und persönliche Verbundenheit zur Statue aufbauen konnten.

Aus diesen Gründen wird keine Entschädigung für den Nichtvermögensschaden zugesprochen. Anerkannt wird in diesem Fall nur eine Entschädigung für den entstandenen Sachschaden.


(Bezirksgericht Diekrich, 4. Juni 1991)

[Haftung - Nichtvermögensschaden (dommage moral) - Sachschaden (dommage matériel) - Statue]


Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour