Montag, 29. September 2014

Vertrag ist Vertrag


Der Eigentümer F. ließ ein Haus im Jahr 1999 errichten. Nach einer Bauzeit von fast 2 Jahren erfolgte eine Abnahme zwischen dem Bauherrn und dem Bauunternehmer.

2 Jahre später sind Mängel im Außen- und im Innenbereich der Immobilie aufgetreten. Diese Mängel wurden dem Bauunternehmer mitgeteilt. Dieser leitete die Mängelanzeige an seine Versicherungsgesellschaft im Rahmen der 10-jahres Gewährleistung weiter.

Die Versicherungsgesellschaft bestellte einen Sachverständigen vor Ort, um die Mängel zu begutachten. Leider führte das gütliche Gutachten zur keiner zufriedenstellenden Lösung für den Eigentümer.

Der Eigentümer ließ per Schnellverfahren einen gerichtlichen Sachverständigen bestellen und ein Gutachten wurde anfertigt. Aus dem Gutachten lässt sich herauslesen, dass die Behebungsarbeiten um die EUR 17.000,00 (ohne MwSt) veranschlagen würden. Für den Gutachter würde die Beschaffenheit der festgestellten Mängel a priori eine Beanspruchung der 10-jahres Gewährleistung erlauben.

Das Problem: inzwischen hat der Bauunternehmer Insolvenz angemeldet.

Dem Eigentümer bleibt nur noch die Möglichkeit die 10-jahres Gewährleistung direkt beim Versicherer einzufordern.

Die Versicherungsgesellschaft widersetzt sich dem Antrag mit der Begründung der vertraglich vereinbarte Bericht durch ein Kontrollbüro (bureau de contôle) wurde nie erstellt, oder wurde zumindest nie an das Versicherungsunternehmen (VU) übermittelt. Aus diesem Grund ist die Versicherungspolice (VP) unwirksam.

Der Eigentümer vertritt die entgegengesetzte Ansicht und meint die Vertragsklausel wäre nicht anwendbar.

Das Gericht befindet, dass die VP die der Unternehmer seinerzeit abgeschlossen hat eine Versicherungspolice ist die für einen Drittbegünstigten (hier der künftige Eigentümer) abgeschlossen wurde (assurance pour compte). Die Eigenschaft dieser Police besteht darin, dass die Police einerseits eine persönliche und direkte Verpflichtung durch den Versicherungsnehmer (VN) beinhaltet, obwohl der VN für einen Dritten handelt ohne diesen formell zu vertreten und andererseits dieser Dritte die Gunst der Police hat durch den Mechanismus der Vereinbarung für Dritte (stipulation pour autrui) [siehe z.B. Cour, 5. Juni 2002, n°26331].

Der Ursprung des Beanspruchungsrechts für den Begünstigten der Vereinbarung für Dritte entspringt und findet seine Rahmenbedingungen im Vertrag (hier: die VP). Falls dieser Vertrag verschwindet, verschwinden ebenfalls die daraus resultierenden vertraglichen Verpflichtungen. Folglich ergibt sich, dass das VU dem Drittbegünstigten alle Ausnahmen und Verteidigungsargumente erwidern kann die auf der VP gründen: sowohl (1) die Gültigkeit der VP als auch (2) Nichterfüllungsausnahmen (exception d'inexécution) können somit als rechtsgültige Argumente herhalten (siehe Artikel 49 Abs. 3 des Gesetzes vom 27. Juli 1997 über den Versicherungsvertrag).

Von diesen Rechtsprinzipien leitet das Gericht, dass die VP keine Anwendung findet, da der Bericht vom Kontrollbüro nie erstellt wurde und somit der Beginn der 10-jahres Gewährleistungsfrist nie festgelegt wurde. Das Gericht geht sogar soweit und befindet, dass, auch wenn der Bericht vom Kontrollbüro erstellt worden wäre, die vertragliche Verpflichtung der Übermittelung des Berichts an das VU nie erfüllt wurde.

Da der VN seinen Teil des Vertrages nicht erfüllt hat kommt die VP nicht zum tragen und das Gericht weist die Klage des Eigentümers als unbegründet zurück.

(BZG Luxemburg, 1. Februar 2008)

[Versicherungspolice (VP) - Vereinbarung für Dritte - Gültigkeit der VP - Nichterfüllungsausnahmen - Kontrollbüro - Bericht - Versicherungsrecht - Vertragsrecht]

Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour


Kommentar: Vertrag ist Vertrag.

Die Gültigkeit der Verträge wird im Luxemburger Recht aufgrund von Artikel 1108 ff. LZGB geprüft. Die daraus resultierenden Verpflichtungen gründen auf Artikel 1134 ff. LZGB. Artikel 1121 LZGB und Artikel 49 (assurance pour compte) des Gesetzes vom 27. Juli 1997 über Versicherungsverträge (hiernach das „Versicherungsvertragsgesetz") ermöglichen eine VP für einen Dritten abzuschließen. Dieser spezielle Vertragsmechanismus hat in diesem Fall Anwendung gefunden und das Gericht hat sich streng an das Gesetz gehalten das folgenden Wortlaut hat: "Les exceptions inhérentes au contrat d'assurance que l'assureur pourrait opposer au preneur sont également opposables à l'assuré quel qu'il soit" (Art. 49 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes).

Es hätte dem Drittbegünstigten oblegen zu prüfen ob die vertraglichen Verpflichtungen der VP vertragsgemäß erfüllt waren. Hierzu hätte sich der Drittbegünstigte auf Artikel 49 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes stützen können und die VP verlangen können. So will es zumindest das Gesetz: "Le preneur d'assurance ayant souscrit une assurance pour compte d'autrui est tenu de tenir à la disposition des assurés les conditions de la garantie" (Art. 49 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes). Diese Prüfung ist scheinbar nie erfolgt.

Die Konsequenzen im hiesigen Fall sind umso verheerender für den Drittbegünstigten, da der ursprüngliche VN inzwischen Insolvenz angemeldet hat und damit kein Gewährleistungsanspruch außerhalb der VP beim Bauunternehmer gemäß Artikel 1792 und 2270 LZGB erfolgen konnte.