Freitag, 25. Juli 2014

Wenn Fehler vermutet werden...


Eine Gemeinde im Süden Luxemburgs veranstaltete im Jahre 2010 eine Märchennacht im Schlosspark. Die Einfahrt zum Schlosspark ist miteinem wunderschönen alten Schmiedeeisenportal mit Quadersteinsäulen versehen.

Um die Veranstaltung erfolgreich zu gestalten beauftragte die Gemeinde mehrere Unternehmen den Park mit vorläufigen Einrichtungen zu versehen. Eine dieser Einrichtungen war das Auf- und Abrichten, sowie der An- und Abtransport eines größeren Zeltes. Ein Partyservice erhielt für diese Leistung den Zuschlag.

Der Partyservice vergab diese Aufgabe an ein spezialisiertes Subunternehmen.

Die Märchennacht fand statt und war ein voller Erfolg. Am darauf folgenden Tag wurde das Zelt abmontiert und abtransportiert. Da es trocken war wurde der historische Eingang nicht vom spezialisierten Subunternehmen genutzt, welches ein An- und Abfahren über die trockene Wiese bevorzugte.

Wichtig zu bemerken ist, dass weitere Unternehmen mit dem Abrichten anderer Anlagen beschäftigt waren. Einige dieser Unternehmen nutzten den historischen Eingang.

Kurz nachdem der Abtransport des Zeltes erfolgte merkte ein Gemeindemitarbeiter, dass das Portal beschädigt war und vermutete, dass dieser von einem Laster gerammt wurde. Die Gemeinde verdächtigte den Partyservice oder dessen Subunternehmer, da diese das Zelt offensichtlich per Laster oder Lieferwagen abtransportierten. Mehrere Monate verstrichen bevor der Partyservice auf den entstandenen Schaden angeschrieben wurde.

Da nie ein solcher Schaden gemeldet wurde, weigerte sich der Partyservice für den Schaden aufzukommen.

Die Gemeinde klagt gegen den Partyservice und begründet sein Verfahren mit der Vertragshaftung, subsidiarisch mit der deliktischen Haftung nach Art. 1382 u. 1383 LZGB. Der Partyservice verkündet den Streitfall an das Subunternehmen, wodurch dieses zur Teilnahme am Rechtsstreit verpflichtet wurde.

Vor Gericht bestreitet der Partyservice die vertragliche und deliktische Haftung aus Mangel an Beweisen. In der Tat beweist die Gemeinde dem Partyservice weder einen Fehler noch einen Kausalzusammenhang zwischen dem vermeintlichen Fehler und dem entstandenen Schaden. Hilfsweise beantragt der Partyservice, dass das Subunternehmen den Partyservice schadlos hält.

Das Gericht ordnet in einer ersten Phase eine Zeugenbefragung an. Alle vorgeladenen Zeugen geben unmissverständlich zu Protokoll nichts gesehen zu haben. Es kommt zur Weiterverhandlung und sowohl der Partyservice, als auch das Subunternehmen plädieren auf Schuldbefreiung.

Das Gericht erinnert, dass bei vertraglichen Verpflichtungen eine ergänzende Sicherheitspflicht gilt. Obwohl es keine Augenzeugen gibt lässt  das Gericht das Argument gelten, dass der zuständige Hausmeister zeitnah (ohne genaue Zeitangabe) über den Schaden in Kenntnis gesetzt wurde. Dadurch kann dem Vernehmen des Gerichts nach, der Schaden nur durch den Abtransport des Zeltes durch den Lieferwagen des Partyservices , sprich des Subunternehmens (so die naheliegende Vermutung) entstanden sein.

Der entstandene Schaden rührt unmissverständlich aus der fehlerhaften Ausführung des Vertrages, nicht zuletzt aus der Verletzung der Sicherheitspflicht.

Das Gericht gibt der Gemeinde Recht und nimmt den Partyservice aufgrund der Sachlage in die Haftung. Da der Partyservice und das Subunternehmen vertraglich gebunden sind muss das Subunternehmen den Partyservice schadlos halten.

(Friedensgericht Esch/Alzette, 1. Juli 2014)

[Vertragsverletzung - ergänzende Sicherheitspflicht - Haftung - Zivilgesetzbuch (LZGB) - Zelt - Abtransport]

Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour

Kommentar: Die Auslegung der ergänzenden Sicherheitspflicht in diesem Urteil ist durchaus fraglich. In der Tat gilt die ergänzende Sicherheitspflicht nur gegenüber von Personen und muss folgende Bedingungen erfüllen: (1) Es muss sich um ein  Fachmann handeln. (2) Dieser Fachmann muss mit der Erfüllung einer Vertragspflicht betraut sein. (3) Bei der Erfüllung dieser Pflicht darf der Fachmann auf keinen Fall Gesundheitsrisiko (Lebensgefahr) für Personen schaffen (Ph. Le Tourneau, Droit de la responsabilité civile, éd. 2008-2009, Dalloz, n°3294 et suivants et G. Ravarani, La responsabilité civile, Pasicrisie, 3e édition, 2014, n°508 et suivants).

Anhand von diesen Bedingungen wird sichtbar, dass das Gericht sein Urteil auf einer lückenhaften Begründung fußt. Damit die ergänzende Sicherheitspflicht Anwendung findet hätte ein Risiko für die Person entstehen müssen. Hier wurden nur ein paar Quadersteine geschrammt, was kein Sicherheitsrisiko darstellt.

Ferner darf die Frage erlaubt sein, ob sich der Schadensfall überhaupt noch im Vertragsrahmen befindet, oder, ob hier nicht eher eine deliktische Haftung zur Anwendung kommen müsste. 

Des Weiteren fußt die Urteilsfindung auf unbestimmten Vermutungen. Zivilrechtlich gesehen beruht die Urteilsfindung auf der Auslegung der Sachlage gründen. Vermutungen konnten bis Dato die Sachlage nie stützen und wurden als unschlüssig und nicht aussagekräftig zurückgewiesen. Erstaunlicherweise wurde im beschriebenen Fall anders entschieden....

Wenn Fehler vermutet werden...

Gegen dieses Urteil kann immer noch Berufung eingelegt werden.