Sonntag, 23. Februar 2014

Kaskoversicherung und verbrannter Turbolader, ein heisses Gemisch: die Versicherung zahlt...

Frau R. ist stolze Besitzerin eines Renault Mégane mit weit über 100.000 km Laufleistung.

Im Sommer 2012 fing der Turbolader ihres Wagens Feuer und verursachte eine Wagenreparatur in Höhe von ungefähr EUR 2.000.


Frau R. hatte eine Kaskoversicherung bei einer Luxemburger Versicherungsgesellschaft abgeschlossen und meldete den Sachschaden.


Die Versicherungsgesellschaft bestreitet den gemeldeten Schaden und verschanzt sich hinter dem Argument die Wartung des Wagens sei nicht sachgemäß gewesen oder es handele sich, um den Verschleiß eines Fahrzeugstücks. In der Tat sind sind Vorfälle dieser Art von der Kaskoversicherung ausgeschlossen.


Frau R. gibt sich mit diesem Vertrösten nicht zufrieden und zieht vor Gericht. Sie stützt sich auf die Kaskoversicherung und verlangt bloß die Begleichung des entstandenen Sachschadens. Die Versicherungsgesellschaft bleibt bei seiner Argumentation und verweigert die Begleichung des Schadens.

Das zuständige Gericht stellt fest, dass die Versicherungspolice spezielle Ausschlussmöglichkeiten bei Feuer vorsieht: Sachschäden die auf einer nicht sachgemäßen Wartung des Wagens beruhen oder aus dem Verschleiß von Fahrzeugstücken herrühren werden von der Versicherung nicht übernommen.

Artikel 1315 LZGB regelt die Beweispflicht und hält in der Substanz folgendes fest: jeder der die Ausführung einer Pflicht verlangt, muss diese beweisen. Das Gleiche gilt auch bei Pflichtbefreiung: hier muss beweisen werden, dass die Zahlung erfolgte oder den Tatbestand der die Pflichtbefreiung bewirkt (freie Übersetzung von Art. 1315 LZGB).

Mit Berücksichtigung von Artikel 1315 LZGB, findet das Gericht, dass die Beweispflicht für Tatbestände, die einen Ausschluss der Versicherungspolice (d.h. eine Pflichtbefreiung) herbeiführen, der Versicherungsgesellschaft obliegt. Mit anderen Worten, die Versicherungsgesellschaft muss hier den Beweis einer nicht sachgemäße Wartung des Renault Mégane bringen.

Da dem vernehmen des Richters nach die
Versicherungsgesellschaft diesen Beweis faktisch nicht erbracht hat, muss die Versicherung für den Schaden aufkommen.

Ein weiteres Argument der
Versicherungsgesellschaft  hinsichtlich der Mitschuld von Frau R. wird vom Gericht ebenfalls verworfen, da eine Kaskoversicherung schlichtweg Schuldzuweisungen missachtet. 

Demnach ist vertragliche Anspruch von Frau R. auf die Begleichung des entstandenen Schadens rechtens.



(Friedensgericht Luxemburg, 2. Mai 2013)

[Kaskoversicherung (assurance tous risques) - Art 1315 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - Beweispflicht - Pflichtbefreiung - Turbolader]


Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour

Sonntag, 9. Februar 2014

Dirty Car Art: Kratzer am Wagen durch ein Kind verursacht - Automatische Haftung der Eltern

Ein minderjähriges Kind spielte auf dem Bürgersteig der "avenue de la Gare" in Luxemburg-Stadt unweit eines bekannten Optikerladens. Das Kind amüsierte sich in diesem Augenblick Sonnen mit dem Finger auf die verdreckte Oberfläche vom Koffer des am Strassenrand geparkten Wagens zu malen.

Besitzer des Wagens schaute dem Kind zu und stellte fest, dass der Wagen auf der Höhe der hinteren Stossdämpfer erheblich zerkratzt war. Die Kratzspuren liessen eine lebhafte Wellenform vermuten. 

Der Besitzer des Wagens sprach das Kind auf diese Malerei an. Das Kind meinte ganz stolz es hätte dieses Kunstwerk geschaffen und zeigte eine 5 Euro Cent Münze.

Die Versicherungsgesellschaft entschädigte den Besitzer, klagte stellvertretend für den Eigentümer des Wagens gegen die Eltern des Kindes und bot an den Eigentümer des Wagens als Zeugen zu hören.

Diesem Antrag wurde vom Gericht stattgegeben und der Zeuge (ebenfalls Eigentümer) schildert die vormals genannte Gesichte, gab jedoch zu verstehen, das Kind hätte weder ein eindeutiges und genaues Geständnis abgegeben noch hätte er persönlich gesehen, dass das Kind den Wagen zerkratzte.

Fakt ist nur, dem vernehmen des Zeugen nach, dass der zuvor abgestellte Wagen in tadelosem Zustand war.

Das Gericht findet den Beweis der Beschädigung aufgrund dieser Schilderung als erbracht. Demnach hat das Kind einen Fehler begangen, welcher in kausalem (oder direktem) Zusammenhang mit dem enstandenen Sachschaden steht.

Gemäss von Art. 1384 abs. 2 LZGB, haften Eltern automatisch für ihre Kinder. Aufgrund dieser Bestimmung ist die Haftung der Eltern gegeben und dadurch ist die Vertretungsklage der Versicherungsgesellschaft rechtens.

Fazit: die Eltern müssen voll für den entstandenen Sachschaden aufkommen.

(Friedensgericht Luxemburg, 20. Juni 2013)

[Automatische Haftung der Eltern - Art 1384 abs. 2 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - Kind - Sachschaden, Vertretungsklage]

Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour


Sonntag, 2. Februar 2014

Kollisionsfreier Unfall - Schuldvermutungsprinzip ausgehebelt

Auf einer Landstraße unweit der Belgischen Grenze fuhr Frau H. aus einer Nebenstraße heraus auf die Nationalstraße. Herr K. fuhr auf Gegenfahrbahn der Nationalstraße und wurde plötzlich vom einfahrenden Wagen von Frau H. überrascht.

Die Überraschung von Herrn K. war umso grösser als Frau H. scheinbar mit ihrem Wagen auf die Gegenfahrbahn (Fahrbahn auf welcher Herr K. sich befand) vordrang.

Um die Kollision zu meiden, tätigte Herr K. ein ausweichendes Manöver und zog stark nach rechts. Dieses Ausweichmanöver verlief jedoch alles andere als glimpflich und Herr K. überschlug sich und landete kopfüber im Straßengraben.

Herr K. klagt gegen Frau H. und gedenkt sich das Schuldvermutungsprinzip aufgrund von Art. 1384 abs. 1 LZGB zunutze zu machen. Frau H. und dessen Versicherungsgesellschaft hingegen finden, dass das Schuldvermutungsprinzip aufgrund von Art. 1384 
abs. 1 LZGB keine Anwendung findet da es zu keinem Zusammenstoß kam.

Um in diesem Fall das Schuldvermutungsprinzip anzuwenden behaupten Frau H. und dessen Versicherungsgesellschaft, Herr K. müsse den Beweis erbringen, dass der Wagen von Frau H. aktiv in den Unfall verwickelt war und sich zudem in einer anormalen Stellung befand, welche kausal mit dem entstandenen Schaden zusammenhängt.

Herr K. beruft sich auf den im gegenseitigem Einverständnis angefertigten Unfallbericht (constat à l'amiable) und vertritt die Ansicht, dass die Skizze des Unfallberichtes die anormale Stellung des Wagens von Frau H. ausreichend beweist.

Das Gericht befindet, dass das Opfer, bei einen kollisionsfreien Unfall mit einem entseelten Sachobjekt (chose inanimée), wie z.B. einem Pkw, den Beweis bringen muss, dass dieses entseeltes Sachobjekt zum Verwirklichung des Unfalls beigetragen hat, sei es durch ein anormales Verhalten, oder durch eine anormale Stellung.

Ein Unfallbericht gilt nach Auffassung des Gerichts, als außergerichtliches Geständnis, falls die geschilderte Sachlage oder die angefertigte Skizze genügend Hinweise und ausführliche Angaben beinhaltet, um den Unfallhergang schlüssig aufzuklären.

Obwohl das Gericht aus der Skizze herleiten kann, dass der Wagen von Frau H. auf die Fahrbahn von Herrn K. vordrang, geht jedoch nicht schlüssig aus dieser Skizze hervor, ob es sich, um einen weitgehenden oder leichten Eingriff handelte.

Da die Skizze den Sachverhalt nur ungenau schildert, die Eingriffsbreite bestritten ist und diesbezüglich kein Beweisantrag mittels Zeugen gestellt wurde, ist nicht bewiesen, dass der Wagen von Frau H. eine anormale Stellung einnahm.

Aus Mangel an Beweisen zur anormalen Stellung findet das Schuldvermutungsprinzip keine Anwendung und die Klage wird vom Gericht als unbegründet zurückgewiesen.

Ebenfalls befindet das Gericht, dass Frau H. keinen Fahrfehler beging, sodass keine deliktische Haftung gemäß Art. 1382 u. 1383 LZGB gegeben ist.

(Bezirksgericht Luxemburg, 6. Juli 2000)

[Schuldvermutung - Art 1384 abs. 1 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - Schuldvermutungsbefreiung - deliktische Haftung - anormale Stellung - aktive Rolle - Unfallbericht]


Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour