Freitag, 3. November 2017

Die Unfallversicherung im Strafprozess

Haftungsfragen tauchen auch im Strafprozess auf.

Als gängige Beispiele können die Körperverletzung ohne Absicht in Artikel 420 des Strafgesetzbuches (StGB) oder die Tötung ohne Absicht in Artikel 419 StGB erwähnt werden. Bei Verkehrsunfällen wo es Verletzte oder gar Tote gibt oder nach etwas überhitzten Auseinandersetzungen wenn etwas zuviel Alkohol im Spiel war kommen diese Artikel zur Anwendung und ermöglichen dem Geschädigten einen Antrag auf Entschädigung zu stellen.

Bei Unfällen die auf dem Arbeitsweg erfolgen wird das Opfer sofort durch die Unfallversicherung, nach entsprechender Meldung, entschädigt. Eine Anmerkung zum Kontext: die Unfallversicherung ist kurz gefasst eine Luxemburger Pflichtversicherung die durch einen Teil der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanzier wird und bei Unfällen die am Arbeitsplatz oder auf dem Arbeitsweg entstehen einschreitet.

Vereinfacht dargestellt kann die Unfallversicherung die erbrachten Leistungen im Zivil- oder im Strafprozess einklagen. Im Strafprozess erfolgt diese Forderung mittels einer Nebenklage (constitution de partie civile).

Im Strafprozess muss diese Nebenklage zu einem Zeitpunkt erfolgen wo der Strafprozess noch nicht abgehandelt ist. Mit anderen Worten es darf noch kein definitives Urteil vorliegen.

Diese Tatsache wurde der Unfallversicherung in einem kürzlich gesprochenen Berufungsprozess bestätigt. Die Unfallversicherung ersuchte das Gericht in erster Instanz und in Berufung eine Nebenklage für begründet erklären zu lassen, obwohl der Strafprozess bereits abgehandelt war.

Das Berufungsgericht entschied, dass keine Nebenklage mehr zulässig ist wenn der Strafrichter bereits eine rechtskräftige Entscheidung gefällt hat (Cour, 2 mars 1993, n°60/93 V und Cour de cassation, 18 novembre 1993 n°30/93).

Das Berufungsgericht urteilt, dass Artikel 139 des Sozialversicherungsgesetzes keine Ausnahmeregelung ist und der Unverfallversicherung nur die Möglichkeit bietet die erbrachten Leistungen einzufordern. Das Berufungsgericht urteilt auch, dass obwohl Strafrecht Zivilrecht in Schach hält, wie in Artikel 3 der Strafprozessordnung vorgegeben, dieses Prinzip nicht heisst, dass eine Zivilklage nicht parallel zu einer Strafklage eingebracht werden kann, besonders im Rahmen der unterschiedlichen Verjährungsfristen im Strafrecht und im Zivilrecht oder durch die Rechtskräftigkeit des Urteils des Strafgerichtes.

Da keine der Streitparteien binnen 40 Tagen ab der Urteilsverkündung Berufung gegen das Urteil von 18. Januar 2013 eingelegt hatte, gilt das Strafurteil als rechtskräftig und die Nebenklage als unzulässig.

Die Unfallversicherung muss demnach den Weg einer Einigung oder den Weg einer Zivilklage prüfen.

(Bezirksgericht Luxemburg, Strafkammer, 5. Oktober 2017)
(Kassation wurde gegen diese Urteil eingelegt)

[Unfall - Unfallversicherung - Association Assurance Accident - Nebenklage]


Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour