Auf der Autobahn A13 in Richtung Frisange, unweit des "Rond Point
Hellange", stand ein serbischer Lastwagenfahrer auf dem Seitenstreifen.
Ob der Lastwagenfahrer ein Nickerchen machte oder kurz eine Mittagspause einlegte ist ungewiss.
Ein französischer Autofahrer fuhr auf der gleichen Autobahn in
Richtung Frisange. Kurz vor dem "Rond Point Hellange" spürte sich der Franzose plötzlich unwohl. Reflexartig steuerte er auf den Seitenstreifen zu.
Pech nur, dass an dieser Stelle der serbische
Lastwagenfahrer stand.
Es kam zum Unfall. Es blieb beim Materialschaden. Der französische Wagen wurde jedoch durch den Unfall stark beschädigt.
Es kam zum Unfall. Es blieb beim Materialschaden. Der französische Wagen wurde jedoch durch den Unfall stark beschädigt.
Die Polizei wurde vor Ort bestellt und erstellte einen
Unfallbericht. Eine gütliche Schadensregulierung
kam leider nie zustande.
Der französische Autofahrer klagt gegen die serbische
Transportfirma und dessen Fahrer und gedenkt sich das Schuldvermutungsprinzip aufgrund
von Art. 1384 abs. 1 LZGB zunutze zu machen.
Die serbische Transportfirma hingegen findet, dass das
Schuldvermutungsprinzip aufgrund von Art. 1384 abs. 1 LZGB keine Anwendung
findet da, obwohl es zum Zusammenstoß kam, der Lastwagen still stand.
Das Gericht erinnert: damit das Schuldvermutungsprinzip
Anwendung findet muss der Lastwagen entweder in Bewegung sein, oder der Beweis
muss erbracht werden, dass der Lastwagen eine anormale Stellung einnahm.
Aus dem Polizeibericht wird unstrittig ersichtlich, dass der
Lastwagen am Seitenstreifen still stand. Diese Stellung ist der Ansicht des Gerichts nach anormal für den "normalen" Verkehrsfluss auf der Autobahn. Das Gericht bezieht sich hierzu auf Art. 156.6 LVO, die den Stillstand auf der Autobahn, höhere Gewalt ausgenommen, verbietet. Demnach wäre der Beweis der
anormalen Stellung gegeben und das Schuldvermutungsprinzip findet hier Anwendung.
Um sich aus der Haftungsvermutung zu befreien muss die
Transportfirma nun einen Fehler vom französischen Kläger vorlegen. Die
Transportfirma streitet das vermeintliche Unwohlsein des französischen
Autofahrers energisch ab, und vertritt die Auffassung, dass der Autofahrer
gegen Art. 140 des LVO verstoßen hat. Mit anderen Worten, der Franzose fuhr unvorsichtig.
Das Gericht gibt der Transportfirma recht und befindet, dass
das unbewiesene Unwohlsein, sowie der Umstand nicht rechtzeitig
stehenzubleiben ohne mit dem serbischen Lastwagen zusammen zu stoßen, als unvorsichtige Fahrweise zu werten sind und somit einen Fehler im
Sinne von Art. 140 des LVO darstellen.
Aus diesem Grund urteilt das Gericht der französische
Autofahrer trage eine Mitschuld.
Da die Lastwagenfirma jedoch keinen Schaden erlitten hat,
kann Letztere keinen Schadensersatzantrag stellen und wird verurteilt für den Schaden des französischen Autofahrers aufzukommen. Da der Franzose eine Mitschuld trägt, muss die serbische Transportfirma nur die Hälfte
der Gerichtskosten übernehmen.
(Friedensgericht Luxemburg, 22. Mai 2014)
[Schuldvermutung - Art 1384 abs. 1 Luxemburger
Zivilgesetzbuch (LZGB) - Schuldvermutungsbefreiung - anormale Stellung - aktive
Rolle - Unfallbericht - Seitenstreifen - Unwohlsein]
Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour