Mittwoch, 11. April 2018

Abbruch der Verhandlungsgespräche

Deliktische Haftung beschränkt sich nicht nur auf Verkehrsunfälle, sondern betrifft alle möglichen Bereiche.

So kam es auch in diesem Fall wo zwei Gesellschaften im Jahr 2013 eine Absichtserklärung ("Letter of Intent") abgeschlossen hatten um schädliche Abgase aus einer Fabrik aufzufangen und über ein Cogenerationssystem aus diesen Abgasen Strom und Hitze zu gewinnen. Die Eigentümergesellschaft der Fabrik sollte die ein Teil des Geländes und die Abgase gegen Entgeld zur Verfügung stellen und der Vertragspartner sollte mittels einer Betreibergesellschaft die Cogenerationsanlage bauen und betreiben.

Aufgrund dieser Absichtserklärung und der innovativen Technik erhielt die Eigentümergesellschaft der Fabrik im Jahr 2014 eine Zusage über eine staatliche Finanzierungshilfe in Höhe von 39% des Kapitaleinsatzes  ohne den Betrag von 2,2 Millionen Euro zu übersteigen. Es war angedacht, dass diese Finanzierungshilfe an die Betreibergesellschaft weitergeleitet wird.

Im Jahr 2014 erhielt die Eigentümergesellschaft der Fabrik ebenfalls die Genehmigung eine Cogenerationsanlage zu bauen und zu betreiben.

Die Betreibergesellschaft hatte jedoch nicht genug Eigenmittel diese Cogenerationsanlage zu finanzieren und machte sich im Jahr 2015 proaktiv auf die Suche nach einem Finanzpartner. Die Betreibergesellschaft wandte sich an die Eigentümergesellschaft die jedoch dankend ablehnte, da letztere nicht bereit war die Rolle und das Risiko des Finanzpartners zu tragen.

Ein möglicher Partner wurde ausfindig gemacht. Dieser Partner war aber nur an der Finanzierung interessiert, falls er die Anteile der Betreibergesellschaft übernehmen konnte. Aus diesen Verhandlungen wurde nichts, da beide Gesellschaften keine Einigung über den Verkaufspreis der Anteile fanden. 

Inzwischen waren mittlerweile 2 Jahre vergangen und die Eigentümergesellschaft der Fabrik hat die Betreibergesellschaft wissen lassen, dass kein weiterer Verzug in der Umsetzung (Bau und Finanzierung) der Cogenerationsanlage geduldet werde.

Im Juni 2015 meldet die Betreibergesellschaft der Eigentümergesellschaft einen neuen Investor gefunden zu haben der bereit wäre nach einem sehr kurzen Prüfungsverfahren ("due diligence") einzusteigen. Die Eigentümergesellschaft erklärt sich bereit den neuen Investor zu begegnen und betont mit Nachdruck, dass der Bau zeitnah beginnen müsste. Nach entsprechender Prüfung zieht sich der neue Investor überraschend zurück.

Ende 2015 steht die Betreibergesellschaft immer noch ohne Investor da. 

Im März 2016 erklärt die Eigentümergesellschaft der Fabrik, dass Sie die Absichtserklärung fristlos kündigt mit der Begründung, dass der Bau der Cogenerationsanlage unter fernen Liefen stünde nicht zu sprechen von der Tatsache, dass die Eigentümergesellschaft der Fabrik eine neue Lösung zur Behandlung der Abgasbelastung finden müsse.

Im Oktober 2016 lässt die Eigentümergesellschaft weiters wissen, dass keine Möglichkeit bestünde mit der Betreibergesellschaft und deren Vertreter über ein neues Projekt zu verhandeln. Dies gesagt erklärt sich die Eigntümergesellschaft bereit die geleistete Arbeit entsprechend zu entschädigen im Hinblick auf eine gütliche Einigung.

Die Betreibergesellschaft will nicht von diesem Vorschlag wissen und verklagt die Eigentümergesellschaft auf rund 444.000,00 Euro Schadensersatz und fusst seinen Antrag schuldhafte Verletzung von Pflichten aus einem vorvertraglichen  Schuldverhältnis. Mit anderen Worte die Betreibergesellschaft klagt auf der Grundlage der deliktischen Haftung.

Das Gericht stützt sich auf die Rechtlehre und erklärt, dass ein Angebot Gespräche zu führen, Vorverträge, Angebote und Gegenangebote keinen Vertrag bilden. Es handelt sich um ein einfaches Vorspiel ("simples préliminaires"), ein Herantasten, das den Weg ebnet für eine mögliche Vertragsbildung. Da diese Handlung vor der Vertragsbildung erfolgen, sind Vorgespräche prinzipell rechtlich nicht bindend für die jeweiligen Parteien (siehe Olivier Poelmans, Le droit des obligations au Luxembourg, p.35).

Die Rechtsprechung räumt jedoch ein, dass obwohl die Parteien zu jenem Zeitpunkt vertraglich nicht gebunden sind, haben die Parteien gewisse Pflichten dem anderen gegenüber und diese Pflichten können durch die deliktische Haftung Namens "culpa in contrahendo" bestraft werden (Cour, 13 février 2008, Pas. 34, p.155).

Die Parteien haben somit die Pflicht aufrecht weiterzuverhandeln. Die Rechtsprechung erkennt hier eine Loyalitätspflicht in der Vorvertragsphase. Diese Pflicht wird besonders erkenntlich beim missbräuchlichen Abbruch der Verhandlungsgespräche.

Somit muss der Abbruch der Verhandlungsgespräche loyal und begründet erfolgen.

Es muss kein vorsätzlicher Fehler vorliegen. Den Vertrauensgrundsatz zu verletzen genügt als Fehler, um in die Haftung genommen zu werden. Der Beweis der Böswilligkeit ("mauvaise foi") genügt um diesen Fehler zu umreissen.

Es ist auch ein Fehler den Verhandlungstisch abrupt und grundlos zu verlassen. Fehlerhaft ist auch den Glauben beim Verhandlungspartner auf eine sichere Vertragschliessung erwecken zu lassen und die Gespräche einfach grundlos zu beenden.

Bei der Fehlerermittlung werden mehrere Parameter in Betracht gezogen: der Fortschritt der Verhandlungsgespräche, die Wichtigkeit und die Eigenart des möglichen Vertrages, die Eigenschaft des Vertragspartners (Fachmann oder Laie), Vorliegen von einem Angebot, die Genauigkeit Angebotsbedingungen und deren Fristen (siehe Olivier Poelmans, Le droit des obligations au Luxembourg, p.36).

Die Parteien bleiben frei die Verhandlungsgespräche zu beenden, falls kein konkretes Angebot vorliegt oder falls der Abbruch loyal und mit Grund erfolgt. Als Fehler gilt wenn ein Verhandlungspartner nicht angemessen verhandelt, die Verhandlungsgespräche unnötig in die Länge zieht oder die Verhandlungsgespräche fristlos beendet (Georges Ravarani, La Responsabilité des Personnes Privées et Publiques, 3e édition, 2014, Pasicrisie, p.512).

Mit der Unterstützung von diesen Rechtsprinzipien findet das Gericht, dass die Absichtersklärung im Jahr 2013 unterschrieben wurde. Die Eigentümergesellschaft hat seinerseits zeitnah nicht nur alle erforderlichen Anträge und Genehmigungen eingeholt sondern ebenfalls eine staatliche Finanzierungshilfe von bis zu 39% der Gesamtinvestition gesichert. Die Betreibergesellschaft hat es hingegen vermisst binnen 3 Jahren die restliche Finanzierung in Höhe von 61% zu sichern zum Bau der Cogenerationsanlage.

Auch wenn Fragen vertraglicher Natur wie die Teilabtretung des Erbpachtvertrages oder die Nutzung der Abgase nicht geregelt waren, geht jedoch eindeutig aus dem Sachverhalt hervor, dass die Betreibergesellschaft bis 2015 keinen Investor für die Finanzierung der fehlenden 61%  gesucht hat, wobei die Sicherung der Finanzierung massgebend ist für die Verwirklichung des Projektes.

Zu unnötigen Zeitverlust kommt hinzu, dass die staatliche Finanzierungshilfe an gewissen Fristen gebunden war. Hier wurde angegeben, dass die Verwirklichung bis zum 31. Dezember 2015 zu erfolgen hätte, und dass der 31. Dezember 2015 das letzte Datum für einen Zahlungsantrag nach Fertigstellung der Anlage gewesen wäre. Da der Bau der Cogenerationsanlage selbst 11 Monate in Anspruch nimmt hat es die Betreibergesellschaft verfehlt grundlegende Voraussetzungen für die Verwirklichung der Cogegenerationsanlage zu beachten.

Da die Eigentümergesellschaft mehrmals schriftlich auf die Notwendigkeit einer zeitnahen Verwirklichung des Projektes gepocht hatte, kann das Gericht keinen Grund finden, dass die Eigentümergesellschaft fehlerhaft gehandelt hätte. 

Aus diesen Gründen finden die Richter, dass die Bedingungen der "culpa in contrahendo" nicht erfüllt sind und die Betreibergesellschaft geht leer aus mit seinem Haftungsanspruch.

(Bezirksgericht Luxemburg, Handelskammer, 21. Februar 2018

[Verhandlungsgespräche, Abbruch, culpha in contrahendo]
Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour


Freitag, 3. November 2017

Die Unfallversicherung im Strafprozess

Haftungsfragen tauchen auch im Strafprozess auf.

Als gängige Beispiele können die Körperverletzung ohne Absicht in Artikel 420 des Strafgesetzbuches (StGB) oder die Tötung ohne Absicht in Artikel 419 StGB erwähnt werden. Bei Verkehrsunfällen wo es Verletzte oder gar Tote gibt oder nach etwas überhitzten Auseinandersetzungen wenn etwas zuviel Alkohol im Spiel war kommen diese Artikel zur Anwendung und ermöglichen dem Geschädigten einen Antrag auf Entschädigung zu stellen.

Bei Unfällen die auf dem Arbeitsweg erfolgen wird das Opfer sofort durch die Unfallversicherung, nach entsprechender Meldung, entschädigt. Eine Anmerkung zum Kontext: die Unfallversicherung ist kurz gefasst eine Luxemburger Pflichtversicherung die durch einen Teil der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanzier wird und bei Unfällen die am Arbeitsplatz oder auf dem Arbeitsweg entstehen einschreitet.

Vereinfacht dargestellt kann die Unfallversicherung die erbrachten Leistungen im Zivil- oder im Strafprozess einklagen. Im Strafprozess erfolgt diese Forderung mittels einer Nebenklage (constitution de partie civile).

Im Strafprozess muss diese Nebenklage zu einem Zeitpunkt erfolgen wo der Strafprozess noch nicht abgehandelt ist. Mit anderen Worten es darf noch kein definitives Urteil vorliegen.

Diese Tatsache wurde der Unfallversicherung in einem kürzlich gesprochenen Berufungsprozess bestätigt. Die Unfallversicherung ersuchte das Gericht in erster Instanz und in Berufung eine Nebenklage für begründet erklären zu lassen, obwohl der Strafprozess bereits abgehandelt war.

Das Berufungsgericht entschied, dass keine Nebenklage mehr zulässig ist wenn der Strafrichter bereits eine rechtskräftige Entscheidung gefällt hat (Cour, 2 mars 1993, n°60/93 V und Cour de cassation, 18 novembre 1993 n°30/93).

Das Berufungsgericht urteilt, dass Artikel 139 des Sozialversicherungsgesetzes keine Ausnahmeregelung ist und der Unverfallversicherung nur die Möglichkeit bietet die erbrachten Leistungen einzufordern. Das Berufungsgericht urteilt auch, dass obwohl Strafrecht Zivilrecht in Schach hält, wie in Artikel 3 der Strafprozessordnung vorgegeben, dieses Prinzip nicht heisst, dass eine Zivilklage nicht parallel zu einer Strafklage eingebracht werden kann, besonders im Rahmen der unterschiedlichen Verjährungsfristen im Strafrecht und im Zivilrecht oder durch die Rechtskräftigkeit des Urteils des Strafgerichtes.

Da keine der Streitparteien binnen 40 Tagen ab der Urteilsverkündung Berufung gegen das Urteil von 18. Januar 2013 eingelegt hatte, gilt das Strafurteil als rechtskräftig und die Nebenklage als unzulässig.

Die Unfallversicherung muss demnach den Weg einer Einigung oder den Weg einer Zivilklage prüfen.

(Bezirksgericht Luxemburg, Strafkammer, 5. Oktober 2017)
(Kassation wurde gegen diese Urteil eingelegt)

[Unfall - Unfallversicherung - Association Assurance Accident - Nebenklage]


Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour


Sonntag, 18. Dezember 2016

Das Kabelproblem

Bei Bauarbeiten am Friedensgericht in Esch-Alzette ist eine Passantin über ein Kabel gestolpert und hat sich Verletzungen am Gesicht zugezogen.

Die Verletzte klagt gegen die Baufirma und die Gemeindeverwaltung und verlangt u.a. Schadensersatz für Körperverletzung auf der Grundlage von Artikel 1384 Abs. 1, 1382 und 1383 LZGB.  

Da ein Kabel per se nicht in Bewegung ist, muss die Klägerin, falls Sie die Haftungsvermutung von Artikel 1384 Abs. 1 LZGB nutzen möchte, den zusätzlichen Beweis erbringen, dass das Kabel eine aktive Rolle spielte und das Verhalten des Kabels als anormal zu werten ist.

In erster Instanz gibt das Friedensgericht der Klägerin recht und hielt fest, dass wegen mutmasslich abwesender Beschilderung das Kabel ein anormales Verhalten ("comportement anormal") gehabt hätte. Die Baufirma lässt diese Urteilsfindung nicht gelten und legt Berufung ein.

In der Berufungsinstanz werden alle Argumente neu vorgelegt. Das zuständige Gericht untersucht die Sachlage und befindet, dass die vorgelegten Fotos der Baufirma, gemeinsam mit der eidesstattlichen Erklärung des Bauleiters, den Sachverhalt objektiv zum Zeitpunkt des Unfalls belegen können. Entgegen dem Urteil aus erster Instanz erscheint der Sachverhalt nun wie folgt:  
Ein Kabel war Aüber die Strasse verlegt. Vor und hinter dem Kabel befanden sich Bretter die das Kabel vom Abrollen abschirmten. Zudem war die Baustelle von Sicherheitsgeländern umgeben. Die Fotos und Beweise, die die Verletzte vorbrachte, stammen zeitlich nach dem Unfall, sodass nicht auszuschliessen ist, dass das Kabel und die Schutzbretter entfernt wurden und durch andere Sicherheitsmassnahmen ersetzt wurden. Das Berufungsgericht muss sich jedoch mit dem Sachverhalt zum Zeitpunkt des Unfalls befassen.

Das Berufungsgericht erinnert, dass ein Sachverhalt als anormal einzustufen ist, falls unter gegebenen zeitlichen und örtlichen Umstandsbedingungen dieser Umstand nicht vernünftig vorhersehbar ist (TAL, 25. Januar 1982, CFL ./. Staat, bestätigt durch Cour, 29. April 1985). Umgekehrt gilt ein Umstand als normal falls unter gegebenen zeitlichen und örtlichen Umstandsbedingungen ein durchschnittlich vorsichtiger und sorgsamer Bürger mitsamt seiner Lebenserfahrung die Eigenschaften des Umstandes einschätzen kann (TAL, 20. Januar 1992, n°129/91).

Für das Berufungsgericht lässt die Kabelverlegung und die Beschilderung zum Unfallzeitpunkt nicht auf ein anormales Verhalten schliessen. In der Tat, sagt das Berufungsgericht, muss ein 10 Zentimeter dickes Kabel, das beidseitig von dicken Brettern und von Leitkegeln umgeben ist, zur Vorsicht für einen durchschnittlich vorsichtigen und sorgsamen Bürger anmahnen.

Da in diesem Fall kein anormales Verhalten erwiesen ist, findet Artikel 1384 Abs. 1 LZGB keine Anwendung. Abschließend, da weder der Baufirma oder der Gemeindeverwaltung ein Fehler angelastet werden kann finden weder Artikel 1382 LZGB noch Artikel 1382 LZGB  Anwendung.

Demnach sind die Rechtsmittel in Berufung begründet und die Klage der verletzten Klägerin wird als unbegründet verworfen.

(Bezirksgericht Luxemburg, 18. Oktober 2016)

[Kabel - Art 1384 Abs. 1, Art 1382, Art 1393 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - anormales Verhalten – aktive Rolle - Sicherheitsmassnahmen]


Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour


Donnerstag, 30. Juni 2016

Lichtepilierungsbehandlung mit haftungsrechtlichen Folgen....

Sommerzeit ist Bikinizeit und die Zeit der glatten Haut. Dies dachte sich auf Frau F. und suchte im März 2013 in ein Luxemburger Schönheitsinstitut auf um sich einer Lichtepilierungsbehandlung zu unterziehen.

Nach einem der durchgeführten Termine zur Enthaarungsbehandlung fühlte Frau F. brennende Schmerzen am Körper und ging sofort in die Notfallaufnahme. Dort stellten die Ärzte fest, dass Frau F. eine oberflächliche Verbrennung 2. Grades im Dammbereich erlitten hatte. Frau F. war mehrere Tage arbeitsunfähig und konnte während mehreren Wochen keinen Sport ausüben.

Die Schönheitsinstitut weigert sich den entstandenen Schaden gültich zu beglichen. Frau F. zieht vor Gericht und klagt auf Vertragshaftung

Das zuständige Gericht erklärt, dass die vertragliche Haftung nur zur Geltung kommt, falls nicht nur ein Schaden während der Ausführung des Vertrages entsteht, sondern auch eine Nichterfüllung einer vertraglichen Haupt- oder Nebenpflicht erfolgt.

Mit anderen Worten, das Luxemburger Schönheitsinstitut muss eine Vertragspflicht gegenüber von Frau F. verletzt haben. Dem Vernehmen vom Gericht nach, klagt Frau F. auf eine Verletzung der vertraglichen Nebensicherheitspflicht (obligation accessoire de sécurité). In der Tat gilt, dass bei dieser Art von Verträgen eine Nebensicherheitspflicht besteht den Gläubiger gegen einen Materialschaden oder eine Körperverletzung zu schützen. Diese Nebenpflicht gründet auf Artikel 1135 LZGB und gilt als "Fairnesspflicht" die dieser Art von Vertrag entfliesst.

Bei der vertraglichen Haftung muss darüberhinaus geprüft werden, ob es sich um eine Erfolgspflicht (obligation de résultat) oder um eine Handlungspflicht (obligation de moyens). Der Gericht befindet, dass die Nebensicherheitspflicht im Prinzip eine Handlungspflicht ist. Im Prinzip ist jeder Mensch für seine eigene Sicherheit zuständig. Dies ist jedoch anders falls das Opfer eine rein passive Rolle einnimmt. In letzterem Fall wäre diese Pflicht dann eine Erfolgspflicht.

Mit verweis auf eine ähnliche Rechtsprechung vom Luxemburger Berufungsgericht in welcher das Opfer einen Körperschaden während eines Solariumgangs erlitten hat, kommt das Bezirksgericht zum Schluss, dass das Opfer eine rein passive Haltung während der Lichtepilierungsbehandlung einnimmt. Somit schuldet das Luxemburger Schönheitsinstitut dem Opfer eine Erfolgspflicht und steht in der Haftung.

Um sich aus der Haftung zu entziehen, muss das Luxemburger Schönheitsinstitut beweisen, dass der Schaden durch einen Fehler von einem Dritten oder durch einen Fehler des Opfers entstanden ist. 

Das Schönheitsinstitut beruft sich auf ein vom Opfer unterschriebenes Informationsblatt. In den Augen des Gerichtes, enthält das Informationsblatt keine Aufklärung über die Risiken einer Lichtepilierungsbehandlung. Aus diesem Grund konnte dem Opfer kein Beweis eines Fehlers angelastet werden.

Aus diesen Gründen steht und bleibt das Luxemburger Schönheitsinstitut in der Haftung und erliegt im Rechtstreit.


(TAL, 22. Juni 2016 - gegen dieses Urteil kann Berufung eingelegt werden)

[Lichtepilierungsbehandlung - Art 1135 Luxemburger Zivilgesetzbuch (LZGB) - Beweispflicht - Erfolgspflicht (obligation de résultat) - Handlungspflicht (obligation de moyens) - Informationsblatt - Aufklärung von Risiken]


Veröff. von Me Henry DE RON, avocat à la Cour 


Anmerkung:

Ähnlich wie bei den Rechtsgrundlagen der deliktischen Haftung (Artikel 1382 u. 1383 LZGB) und der Haftungsvermutung (Artikel 1384 Abs. 1 LZGB), wird auch bei der vertraglichen Haftung unterschieden. 

Einerseitzs gibt es die Erfolgspflicht (obligation de résultat). Hier verpflichtet sich der Vertragspartner zu einem gewissen Ergebnis. Wird dieses Resultat nicht erreicht titt der Vertragspartner bei einem Schaden in die Haftung, vorausgesetzt es wird ebenfalls eine vertragliche Haupt- oder Nebenpflicht verletzt. Unterliegt der Vertrag einer Erfolgspflicht kommt es zu einer Beweisumkehrlast: entgegen den klassischen Beweisregelen, hat der Beklagte den Beweis zu liefern warum er sich aus der Haftung entzieht. Die angewandte Logik ist ähnlich wie bei der Haftungsvermutung (Artikel 1384 Abs. 1 LZGB) und ist somit sehr vorteilhaft für den Kläger.

Andererseitzs gibt es die Handlungspflicht (obligation de moyens). Hier verpflichtet sich der Vertragspartner nach Treu und Glauben eine Leistung zu erbringen. Im besten Fall wird das gewünschte und vertraglich vereinbarte Ergebnis erreicht. Ist dem nicht so, obliegt es dem Kläger zu beweisen, dass der Vertragspartner einen Fehler begangen hat, ein Schaden erlitten wurde und, dass der Schaden gemäss Artikel 1150 LZGB vorhersehbar war. Die angewandte Logik ist ähnlich wie bei der deliktischen Haftung (Artikel 1382 u. 1383 LZGB) und verlangt eine stärkere Hingabe vom Kläger.

Diese feinen juristischen Unterschiede können im Rahmen von einer Klageführung weitreichende Konsequenzen haben, sowohl für den Kläger als den Beklagten.